Als Felix Jahn ein Kind war, kam die Kirche den Eltern nicht ins Haus. „Glaube spielte bei uns keine Rolle“, sagt der heute 44-Jährige. Anders ist das in seinem eigenen Zuhause, ein paar Jahrzehnte später: Der selbständige Zimmerer hat sich nicht nur taufen lassen, sondern arbeitet seit einigen Jahren sogar mit im Kirchenvorstand. Sein Credo: „Warum soll ich das Grau des Nihilismus leben, wenn es auch bunt geht?“
Felix Jahn sitzt auf der Bank neben seinem Ofen, in dem das Feuer flackert. Er hat eingeheizt, denn draußen, vor den Sprossenfenstern, friert es. Mit Ehefrau und zwei Söhnen lebt er in einem entzückenden Fachwerkhäuschen in der Lüneburger Altstadt, nahe der historischen Backsteinkirche St. Michaelis. „Es fühlt sich an, als würden die kleinen Häuser im Schutz der großen Kirche stehen“, sagt er. „Als ob das alles zusammengehört.“
Ein „Jesus Freak“ bringt ihn zur Kirche
Aufgewachsen in Hamburg, ging Felix Jahn nach dem Abitur für den Zivildienst nach Afrika. Als er von dort zurück ins Elternhaus kam, war da die große Leere. Freunde verteilt auf andere Städte, und selbst keine Idee für eine Zukunft. Er setzte sich auf sein Fahrrad und fuhr los, einfach immer weiter. „Auf dieser Tour wollte ich auf die Idee kommen, was ich lernen oder studieren will.“ In Celle traf er auf einen Punker, der gerade ein Puzzle zusammensetzte. Die beiden kamen ins Gespräch.
Der Mann war ein „Jesus Freak“, Teil der außerkirchlichen christlichen Glaubensbewegung, gegründet 1991 in Hamburg. Sie verstanden sich, redeten, besuchten ein Punk-Konzert mit religiösen Liedern, redeten mit den Muckern weiter. „Einer von denen meinte: Werd‘ doch Zimmerer und geh auf die Walz“, erinnert sich Felix Jahn. Auf einmal war sie da, die Idee für eine Zukunft. „Im Nachhinein würde ich sagen: Da hat mir der liebe Gott jemanden geschickt, der sagte: Guck mal, wie wäre das?“
25 Jahre mag das nun her sein. Angezogen von Kirchen oder der Kirche fühlte sich Felix Jahn damals allerdings nicht. Die erste Faszination entstand, als seine Frau sich 2005 taufen ließ, frühmorgens in der Osternacht. „Da habe ich das erste Mal gedacht: Das will ich auch“, erzählt er. Und trotzdem passierte erst einmal wieder Jahre nichts. Bis 2017 – und zwar ohne besonderen äußeren Anlass. „Ich wusste einfach: In diesem Jahr will ich mich taufen lassen.“
„Wenn man wirklich Hilfe braucht im Leben, dann bekommt man sie auch.“
Jahn besuchte einen Taufkursus für Erwachsene, und sein mehr als zehn Jahre alter Wunsch erfüllte sich: Er wurde getauft, in der Osternacht in St. Michaelis. Seiner Nachbarin, deren Turm er aus dem Küchenfenster sieht. Und doch lief damals nicht alles wie erhofft. Die Taufe empfand er zwar als sehr feierlich, erinnert sich Felix Jahn. Aber seine Familie konnte nicht dabei sein. „Das war nicht einfach.“
Noch am selben Morgen erlebte er, welche Art von Gemeinschaft in einer Gemeinde entstehen kann: Für das anschließende Osterfrühstück lud ihn Pastor Stephan Jacob mit an den Tisch – für den Neuling ein gutes Gefühl. „Ich fühlte mich wohl und willkommen.“ Gleichzeitig ist diese Einladung eines von vielen kleinen, alltäglichen Beispielen der Überzeugung, mit der Felix Jahn lebt: „Wenn man wirklich Hilfe braucht im Leben, dann bekommt man sie auch.“
Spiritualität gehört zum Leben wie die Luft zum Atmen, davon ist der 44-Jährige überzeugt. „Egal, in welcher Form von Religion. Sie ist es, die uns lebendig macht. Ohne Glaube bleibt doch nur eine graue, traurige Welt übrig. Nihilismus ist trist. Dann gehe ich doch lieber davon aus, dass das Leben größer ist als das, was wir sehen. Glaube macht das Leben bunt.“ Warum er sich für sein spirituelles Leben dann ausgerechnet die evangelisch-lutherische Kirche aussuchte? „Weil das Christentum mit unserer Geschichte verwoben ist. Es ist einfach sehr naheliegend, sich in unseren Breitengraden dem Christentum anzuschließen.“
Doch eines müssen wir jetzt noch erklären: Wie ist der Zimmerermeister zum Mitglied des Kirchenvorstands geworden? „Indem mich mein Pastor einmal wieder geschnappt hat“, erzählt Felix Jahn und lacht. „Niemals hätte ich mich aufstellen lassen. Jetzt aber bin ich froh, in dem Gremium mitarbeiten zu dürfen. Ich genieße den wachen, feinen und klaren Geist, der dort weht.“
Und der Pastor? Ist froh, dass er Felix Jahn an „einem dunklen Karfreitag“ für den Kirchenvorstand gewinnen konnte. Für St. Michaelis ist der Zimmerer ein wichtiger Teil im Mosaik, sagt Stephan Jacob. „Erstens: Jesus war ein Zimmerer. Zweitens: ‚Der Heilige Geist ist ein bunter Vogel!‘, wie es in einem Gedicht heißt. Drittens: ‚Es werde Licht!‘“