Vom 12. bis zum 14. November war die St.-Michaeliskirche in Lüneburg Schauplatz einer besonderen Veranstaltung: Die historische Altstadtkirche verwandelte sich erneut in eine Vesperkirche – einen Ort, an dem sich Menschen unterschiedlichster Hintergründe begegnen, gemeinsam essen, kreativ sind und sich unterhalten können.
Das Konzept, das erstmals 2021 in Lüneburg realisiert wurde, hat sich inzwischen fest etabliert. Mit Angeboten wie einem Miniflohmarkt, Haarschnitten, Henna- und Tattoosessions sowie Live-Musik war die Vesperkirche auch in diesem Jahr ein Ort voller Leben. Dabei galt stets das Motto: „Nehmen, wer möchte, und geben, wer kann.“
Die Vesperkirche richtet sich bewusst an alle – unabhängig von sozialem Hintergrund oder finanziellen Mitteln. Dieses Ziel wurde definitiv erreicht: Menschen, die gut geben können, saßen neben jenen, die Hilfe brauchen. Pastorin und Projektleiterin Silke Ideker beobachtete: „Die Vesperkirche ist für mich ein Segen, weil sich so viele Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen hier wohlfühlen, sich begegnen, es wirklich genießen, hier zu sein und in Gemeinschaft, Sachen machen zu können. Hier sitzen Damen mit Perlenkette mit Männern aus der Herberge an einem Tisch und essen zusammen.“
Besonders beliebt war der Friseursalon in der Kirche. „Die Menschen genießen dabei nicht nur den neuen Haarschnitt, sondern auch die Zuwendung“, berichtet Ideker. Für viele ist es ein wertvoller Moment der Wertschätzung und des Ankommens.
Ein Highlight war der Stand eines Tattoo-Studios, an dem man Kunstwerke wie Rosen, Vereinslogos oder Gedenkmotive stechen lassen konnte. Auch der Kleiderkeller der Diakonie war gut besucht – ein Ort, an dem nicht nur schöne Kleidung, sondern auch Wertschätzung geteilt wurde. „Ich bin so froh, dass die Ehrenamtlichen wieder so toll mitgemacht haben. Es ist immer eine Bereicherung und Freude zu sehen, dass einige schon jahrelang dabei sind und einige neue dazukommen und ganz toll engagiert sind und sich freuen, dass sie ihre Zeit sinnvoll nutzen“, sagt Dörthe Grimm, Projektmanagerin von Lebensraum Diakonie in Lüneburg.
Die Abende rundete ein buntes Programm ab: Luftakrobatin Marlene Kiepke faszinierte mit ihrer Darbietung, während Musikerinnen und Musiker wie Vicky und Vasco für Gänsehautmomente sorgten oder DJ „Evangelixx“ die Besucher mit Psytrance ins Weltall beamte.
Neben den praktischen Angeboten steht bei der Vesperkirche die Begegnung im Fokus. Superintendent Christian Stasch, der die Vesperkirche erstmals miterlebte, war beeindruckt: „Man kommt hier mit Menschen ins Gespräch, die man sonst vielleicht nicht trifft.“
Die Resonanz war auch in diesem Jahr überwältigend: Täglich kamen etwa 500 Gäste, um Kartoffelsuppe zu genießen, ein arabisches Buffet zu probieren oder einfach die Gemeinschaft zu erleben. Die Feedback-Wand zeigte, wie wertvoll diese Momente für viele sind. Besonders bewegend: Menschen, die sonst alleine essen, fanden in der Vesperkirche Gesellschaft.
„Das, was ich so mag an dieser Vesperkirche, ist, dass hier so viele Menschen zusammenkommen, die so unterschiedlich sind - von ihrer Herkunft, von ihrer Bildung, von ihrer sexuellen Orientierung“, fasst Pastor Olaf Ideker-Harr den Ort der Begegnung zusammen.
Die Vorfreude auf die nächste Vesperkirche ist bei vielen entsprechend groß.