Als die Bibel zum Bestseller wurde

Ausstellung über den „Exportschlager“ der Stern’schen Druckerei
Eine als Frau und eine als Mann lesbare Person zeigen in einem Museum eine historische Druckmaschine.
Bild: epd-bild/Hans-Jürgen Wege

Lüneburg, als Salzstadt bekannt, hatte früher noch einen weiteren Exportschlager: Bibeln aus der Stern’schen Druckerei wurden in ganz Europa verkauft. Zum Erfolg trugen die Bilder bei. Das Museum Lüneburg zeigt dazu eine Sonderausstellung.

Überregional gefördert wird „Bilder! Das Salz der Bibeln“ unter anderem vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, von der Kulturstiftung der Länder, von der Zeit Stiftung Bucerius und von der Friede Springer Stiftung.

Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag: 11 bis 18 Uhr, Donnerstag: 11 bis 20 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertage: 10 bis 18 Uhr

Lüneburg. Lüneburg vor 400 Jahren: Die Brüder Johann und Heinrich Stern stellen in ihrer Druckerei die ersten Bücher her. Den Anfang macht eine herzogliche Abhandlung über Geheimschriften. Dann folgt ein Titel, der die „Sterne“ europaweit bekannt machen wird: die Bibel. In diesem Fall ist es eine unscheinbare Textausgabe. Doch schon bald bringt die Druckerei Bibeln auf den Markt, die mit ihrer reichen Bebilderung zu Bestsellern werden – und zu einem zweiten Exportschlager der Stadt neben dem Salz. Versandt werden die heiligen Schriften in Fässern, damals die Standard-Transportverpackung.

Das Museum Lüneburg widmet diesem Kapitel der Wirtschaftsgeschichte eine Sonderausstellung: „Bilder! Das Salz der Bibeln“. Sie wird am Sonntag, 29. September, eröffnet und ist bis zum 30. März 2025 zu sehen. „Große Teile werden wir danach in die Dauerausstellung integrieren“, kündigt Museumsdirektorin Heike Düselder an.

Der Buchbinder Hans Stern hatte sich vor 1600 in Lüneburg niedergelassen. Er wurde Buchhändler und Verleger und stand in Verbindung zu Herzog August dem Jüngeren von Brauschweig-Lüneburg, der in Hitzacker residierte und später die berühmte Bibliothek in Wolfenbüttel ausbaute. Sterns Söhne ließen zunächst in Goslar drucken, bis sie vor 400 Jahren mit dem Buchdruck in ihrer Heimatstadt begannen, erläutert Museumskurator Ulfert Tschirner.

Noch während des Dreißigjährigen Krieges kam das Geschäft mit den Bibeln in Schwung. Die „Sterne“ bewiesen dabei Gespür für Marketing: Sie setzten auf Bilder, um ihre Bibelausgaben attraktiv und unverwechselbar zu machen. Zum Beispiel erwarben sie eine Serie von 168 Holzdruckstöcken mit Illustrationen biblischer Geschichten. Gedruckt wurde aber mit Abdrücken in Blei, sogenannten Klischees. Die hölzernen Originale wurden dadurch geschont, sie sind jetzt im Museum zu sehen.

Später kamen Kupferstiche auf. Sie erlaubten eine feinere Zeichnung und mehr Dramatik in den Bildern. Doch Kurator Tschirner weist auf einen Nachteil hin: „Die Platten waren schneller abgenutzt, schon nach 500 Drucken ließ die Qualität nach.“

Auf dem Gipfel des Erfolgs brachten die „Sterne“ 1672 eine Bibel mit Bildern des Hamburger Barockkünstlers Matthias Scheits heraus. Ein Mega-Projekt, das neun Jahre Vorbereitung erforderte: Scheits schuf die Vorzeichnungen, Kupferstecher in mehreren europäischen Städten fertigten im Auftrag der „Sterne“ die Platten an. Gedruckt wurde in Lüneburg, das damals ein Zentrum des Bibeldrucks in Nordeuropa war.

Die Bilder in den Bibeln waren großes Kino. Soll heißen: Sie waren damals das zeitgemäße Mittel, um bei Betrachtern das „Kopfkino“ in Gang zu setzen, wie Kurator Ulfert Tschirner sagt. „In ihrer Wirkung ist die Scheits-Bibel durchaus mit einem aufwendigen Hollywood-Film heute zu vergleichen“, erläutert der Historiker. In der Ausstellung sollen Medienstationen, etwa ein interaktives Buch und sprechende Bilderrahmen, diese Faszination in heutige Sehgewohnheiten übertragen.

Nach dem kometenhaften Aufstieg der „Sterne“ im 17. Jahrhundert folgten schon bald „Nachglühen“ und „Niedergang“, wie es in der Ausstellung mit passender Metaphorik heißt. Mehr als 150 Bibelausgaben mit insgesamt mehr als 500.000 Exemplaren druckten die Lüneburger Unternehmer, die letzten im Jahr 1824. Rund 40 Bibeln sind nun im Museum zu sehen, vom schmalen Band für die Hosentasche bis zur acht Kilo schweren Prachtausgabe.

Eine Erlebnisfläche zum Thema Drucken ergänzt die Ausstellung. Hier steht etwa der Nachbau einer historischen Spindelpresse. Mit viel Muskelkraft wird jedes Blatt einzeln auf die Druckform gepresst, die Museumsbesucher können das ausprobieren. Setzkästen mit Lettern stehen bereit, um selbst einen einfachen Druck zusammenzustellen.

Die von Stern’sche Druckerei existiert nach wie vor, auch darüber informiert die Ausstellung. Nach dem Niedergang des Bibeldrucks wandelte sich das Unternehmen zum Zeitungsverlag. Heute druckt von Stern die lokale „Landeszeitung“. Und was naheliegend ist: Auch der Ausstellungskatalog ist dort entstanden. Die Druckerei, mittlerweile in der 14. Generation geführt, zählt zu den ältesten Familienunternehmen in Deutschland.

Detlev Brockes (epd)