Festival chor.com in Hannover mit 22 Konzerten und KI-Experiment

Mehrere Personen, weiblich gelesen, stehen schwarz gekleidet hinter Mikrophonen.
Bild: Canva/mattabbe

Hannover. Nationale und internationale Spitzenchöre kommen von diesem Donnerstag (26. September) an bis zum Sonntag zum Chor-Festival chor.com in Hannover zusammen. Neben dem Messeprogramm sind unter anderem 22 öffentliche Konzerte an drei Abenden geplant, wie der Deutsche Chorverband mitteilte. Erwartet werden insgesamt rund 1.300 Sängerinnen und Sänger und weitere Mitwirkende. 

Die chor.com sei das wichtigste Forum für die Chor-Szene in Deutschland, sagte der Präsident des Verbandes, Altbundespräsident Christian Wulff: „Der Beitrag, den die Engagierten im Chorbereich für ein friedliches, tolerantes Miteinander leisten, kann gar nicht genug Unterstützung erfahren.“ Wulff wird das Treffen am Donnerstag um 13 Uhr im Hannover Congress Centrum eröffnen. Dazu wird auch Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD) erwartet. 

Zur Eröffnung planen die Initiatoren ein besonderes musikalisches Experiment mit Künstlicher Intelligenz. Zunächst wird der Männer-Kammerchor „Ffortissibros“ aus Schwerin das Stück „Es war ein König in Thule“ singen. Dann wird eine KI dazu Frauenstimmen und einen neuen Text vorschlagen. Die Frauenstimmen werden von der KI dabei selbst erzeugt. Unter anderem soll das Stück im Country-Stil erklingen. 

Insgesamt erwarten die Teilnehmenden im Kongresszentrum rund 150 Workshops und drei hochkarätige Masterklassen. Unter dem diesjährigen Motto „Auf- und Umbrüche - neue Perspektiven für die Chormusik“ soll es bei dem Festival unter anderem um Digitalisierung und Improvisation, neue Konzertformate und neue Chormusik bis hin zu innovativen Konzepten von Chorleitung gehen.

Bei den Konzerten an verschiedenen Spielstätten im Stadtgebiet stehen unter anderem der Bundesjugendchor, der Windsbacher Knabenchor und das dänische A-capella-Ensemble „Postyr“ auf der Bühne. Nach vier Ausgaben in Dortmund findet die chor.com seit 2019 alle zwei Jahre in Hannover statt. Die niedersächsische Landeshauptstadt gilt als Musikmetropole. Seit 2014 trägt sie den Titel „Unesco City of Music“.

Drei Fragen zur chor.com...

Eine männlich gelesene Person in blauem T-Shirt und mit Brille steht in einem Mittelgang einer Kirche.
Bild: Christine Warnecke/EMA
Stephan Doormann ist seit 2021 künstlerischer Leiter des europaweit größten Treffpunkts für Vokalmusik. Er ist außerdem als Kantor in der Stadtkirche St. Marien in Celle tätig.

...an Stephan Doormann. Doormann ist seit 2021 künstlerischer Leiter des europaweit größten Treffpunkts für Vokalmusik. Er ist außerdem als Kantor in der Stadtkirche St. Marien in Celle tätig.

Herr Doormann, welches Ziel hat die chor.com?
Stephan Doormann: Im Zentrum steht der Austausch, das Voneinanderlernen, sich gegenseitig inspirieren: Alle sollen Impulse für sich und ihre Arbeit mitnehmen. Eingeladen sind alle, die einen Bezug zur Chormusik haben, nicht nur kirchlich, aber auch, Chorleitende, Kirchenmusizierende, Musikpädagoginnen und Musikpädagogen, Chormanagerinnen und Chormanager, Komponistinnen und Komponisten und Sängerinnen und Sänger sowie alle anderen Interessierten. Es gibt Workshops, Konzerte und Masterclasses zu verschiedenen Bereichen – wie gelingt beispielsweise ein Genre-Übergriff, dass sich etwa klassische Kirchenmusik und Jazz verbinden? Wie ermutigt man Kinder, die von zu Hause aus noch nicht viel Erfahrung mit dem Singen oder allgemein Musik haben, mitzumachen? Es geht um die Verbreitung von praktisch gut umsetzbaren Ideen.

Die kirchliche Bindung in der Gesellschaft insgesamt lässt nach, auch die Bereitschaft, sich längerfristig zu engagieren, sich an feste Projekte zu binden. Wie verändert das die Chorlandschaft? 
Doormann:
Wir haben erlebt, dass nicht zuletzt die Corona-Pandemie in diesem Sinne als Brandbeschleuniger gewirkt hat und die reine Anzahl der Chöre hat sinken lassen. Andererseits sehen wir, dass nun viele neue Initiativen gestartet wurden, um dem entgegenzuwirken und auf die sich ändernden Gewohnheiten zu reagieren. Dabei zeigt sich, dass es vor allem darum geht, die Menschen zu begeistern und zu gewinnen, ihnen Gemeinschafts- und Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Dabei spielt das Genre nur eine untergeordnete Rolle. Auch klassische Musik wird sehr erfolgreich angenommen, auch bei Jugendlichen, wenn das Angebot passt. An meiner Schule in Celle etwa ist jeder fünfte oder sechste Schüler mittlerweile im Chor. Die Musik bietet einen ganz großen Anknüpfungspunkt, letztendlich für alle Generationen. 

Wann wäre die chor.com für Sie erfolgreich?
Doormann:
Die chor.com wirkt, wenn möglichst viele inspiriert nach Hause gehen, mit neuen Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten. Mir wäre es wichtig, dass sich die Überzeugung verbreitet, dass auch in dem gesellschaftlichen Wandel, in dem wir jetzt stecken, viele Möglichkeiten und Chancen stecken, die wir nutzen können, wenn wir ihn aktiv mitgestalten.

epd Niedersachsen-Bremen