Hannover. Die Sozialverbände haben wiederholt die Kürzungspläne der Bundesregierung bei den Freiwilligendiensten kritisiert. Die Bundesregierung will die Gelder laut einem Kabinettsentwurf im kommenden Jahr um zwölf Prozent reduzieren.
Was genau das für die Einrichtungen bedeuten würde, in denen junge Menschen ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolvieren, erläutert der Vorstandsvorsitzende der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke.
Herr Lenke, eine FSJlerin oder ein FSJler arbeitet in Vollzeit 40 Wochenstunden, erhält aber nur ein Taschengeld etwa in der Höhe eines Minijobs. Ist das nicht eine günstige Arbeitskraft für die Einrichtungen?
Hans-Joachim Lenke: Freiwilligendienstleistende werden nicht als reine Arbeitskräfte eingesetzt. Junge Menschen sollen in diesem Jahr die Möglichkeit erhalten, in einen sozialen, pflegerischen oder pädagogischen Beruf hineinzuschnuppern und dadurch auch andere Lebenswelten kennenzulernen. Viele junge Menschen kommen während ihres Freiwilligendienstes das erste Mal mit Themen wie Tod, Armut oder auch Behinderung in Berührung. Den Umgang mit diesen Erfahrungen müssen sie verarbeiten und einordnen lernen. Bei diesem Prozess werden sie von unseren pädagogischen Fachkräften in Seminaren und Einzelgesprächen unterstützt und begleitet.
Ich bin jedes Mal wieder aufs Neue von dem sozialen Engagement der meist jungen Menschen begeistert. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für ein gelingendes Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Dieses Engagement sollte auch von der Politik gewürdigt werden. Sie sollte ausreichend Mittel für den Dienst an der Gesellschaft bereitstellen - gerade für die wichtige pädagogische Begleitung.
Welches sind die Kosten, die für einen FSJler im Einzelnen anfallen?
Lenke: Die Kosten sind vielfältig. Neben dem Taschengeld bekommen die jungen Menschen seit diesem Jahr einen Mobilitätszuschlag, um auch Menschen mit geringeren finanziellen Mitteln einen Dienst zu ermöglichen. Zudem stellen einige Einsatzstellen ein Zimmer zur Verfügung oder übernehmen die Kosten für die Verpflegung.
Die Freiwilligendienstleistenden, die aus dem Ausland hier in Deutschland einen Dienst absolvieren möchten, unterstützen wir durch Deutschkurse, da fallen natürlich auch Kosten an. Genauso bei der pädagogischen Begleitung durch unsere Fachkräfte.
Wie finanziert die Diakonie in Niedersachsen ihre Freiwilligendienstler und wie viele hat sie im vergangenen Jahr beschäftigt?
Lenke: Die Finanzierung setzt sich beim FSJ aus unterschiedlichen Töpfen zusammen. Die Bundesmittel decken einen Teil der pädagogischen Begleitung ab. Landeskirchliche Mittel werden für die pädagogische Begleitung und die Verwaltung eingesetzt. Die Einsatzstellen müssen anteilig für die pädagogische Begleitung und für alle weiteren Kosten, wie Taschengeld, Sozialversicherungsbeiträge, eventuell Wohngeld oder Verpflegung aufkommen. Das FSJ kostet eine Einsatzstelle etwa 1.000 bis 1.500 Euro pro Platz und Monat.
Sollten nun die Bundesmittel weiter sinken, gibt es für Einsatzstellen nur zwei Optionen: Entweder sie bieten weniger Plätze an oder sie erhöhen ihren eigenen Kostenanteil. Das ist aber für viele der Einrichtungen aufgrund der klammen Haushaltslage kaum möglich.
Im vergangenen Jahr haben bei der Diakonie in Niedersachsen rund 750 Freiwillige ihren Dienst absolviert. Nach unserer Erfahrung entscheiden sich etwa 60 Prozent der Absolventen für einen sozialen, pflegerischen oder pädagogischen Beruf. In Zeiten des Fachkräftemangels ist der Freiwilligendienst also eine wichtige Säule für die Gewinnung von Fachkräften.