„Nicht nur reden, sondern machen“
Hannover. In Niedersachsen sind bis zum Sonntag (10. März) rund 2,6 Millionen Menschen aufgerufen, die evangelischen Kirchenvorstände zu wählen. Landesweit kandidieren mehr als 10.000 Männer und Frauen in rund 2.000 Gemeinden für das Ehrenamt. Einer der prominentesten Bewerber ist der Kabarettist Matthias Brodowy (51), der Kirchenvorsteher der zentralen Marktkirche in Hannover werden möchte. Der vielfach ausgezeichnete Satiriker gewann unter anderem den Deutschen Kleinkunstpreis 2013 für Chanson und Musik. Brodowy ist ausgebildeter Kirchenmusiker und studierte katholische Theologie. Im vergangenen Jahr wechselte er zur evangelischen Kirche. Im epd-Gespräch verrät er, warum er dort jetzt ehrenamtlich Verantwortung übernehmen will.
Herr Brodowy, wohl die wenigsten Kirchenvorstände haben einen Kabarettisten in ihren Reihen. Wollen Sie mehr Humor in die Kirche bringen?
Matthias Brodowy: In erster Linie möchte ich mich einfach nur in meiner Gemeinde engagieren. Aber ich glaube, jede Kirchengemeinde kann ein bisschen mehr Fröhlichkeit gebrauchen. Die frohe Botschaft und froh sein gehören doch zusammen. Dieses Frohe sollten wir wirklich mehr nach außen tragen. Da können wir als Kirche noch viel lernen, weil es manchmal doch sehr ernst zugeht bei uns.
Sie haben ja schon ein Ehrenamt in der Kirche als Mitherausgeber der Straßenzeitung „Asphalt“. Warum wollen Sie sich denn jetzt noch im Kirchenvorstand engagieren?
Brodowy: Ich bin immer schon aktiv in der Kirche gewesen, weil ich glaube: Kirche kann nicht sein, sonntags ab und an mal in den Gottesdienst zu gehen. Kirche funktioniert nur, weil man in der Gemeinde auch aktiv ist. Als ich noch katholisch war, habe ich mich auch gerne für die Kirche im Größeren engagiert. Ich war vier Jahre im katholischen Diözesanrat. Das war faszinierend, aber es war ein pures Beratungsgremium. Was wir beschlossen haben, hatte keine Konsequenzen. Ich finde es gerade spannend für mich, dass evangelische Kirchenvorstände wirklich in der Lage sind, Kirche aktiv mitzugestalten. Und ich gestalte gerne mit.
Sie haben ja viele Semester katholische Theologie studiert. Warum sind Sie dann vor einem Jahr in die evangelische Kirche eingetreten?
Brodowy: Das war ein langer Prozess mit vielen Faktoren, etwa die Missbrauchsfälle. Mich hat auch gestört, dass Frauen nicht Priesterinnen werden können. Ich habe sehr auf den Reformprozess des Synodalen Weges gesetzt. Und dazu hat Papst Franziskus vor einiger Zeit sinngemäß gesagt: Es gibt in Deutschland schon eine evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon. Und da habe ich ihm einfach mal Folge geleistet. Ich habe auf den Papst gehört und bin evangelisch geworden.
Auch in der evangelischen Kirche hat es Fälle von sexualisierter Gewalt gegeben. Wäre das ein wichtiges Thema für Sie als Kirchenvorsteher?
Brodowy: Ja, absolut. Das muss dringend aufgearbeitet werden in beiden Kirchen. Und ich habe die Hoffnung, dass es in der evangelischen Kirche gelingen wird. Egal wo Missbrauch stattgefunden hat: Es müssen in erster Linie die Betroffenen reden und nicht andere über die Betroffenen.
Es gibt bei den Evangelischen so ein Sprichwort, das heißt: „Die Kirche muss immer reformiert werden.“ Was möchten Sie denn am liebsten reformieren bei den Protestanten?
Brodowy: Dafür muss ich etwas länger evangelisch sein, um erstmal zu schauen, was mir nicht gefällt. Im Moment bin ich ganz glücklich mit allem. Es wird sicherlich Momente geben, wo ich denke: Hier sind Veränderungen notwendig. Aber dafür bin ich noch nicht lange genug im Club.
Aber Sie sind voller Tatendrang?
Brodowy: Auf jeden Fall. Ich habe Kirche nie so verstanden, dass man nur passiv dabei sein kann. Ich krempele die Ärmel hoch, ob ich nun in den Kirchenvorstand gewählt werde oder nicht. Ich würde mich auf jeden Fall in welcher Form auch immer in der Gemeinde beteiligen wollen.
Als Kabarettist und Künstler haben Sie einen prall gefüllten Terminkalender. Haben Sie denn da überhaupt noch Zeit für so ein Ehrenamt?
Brodowy: Ich nehme mir die Zeit dafür. Weil ich das so wichtig finde, dass ich mir diese Zeit freischaufele. Das ist natürlich eine Herausforderung. Aber ich kann nicht auf der Bühne stehen und tolle Dinge von einer besseren Welt erzählen, ohne mich an der Gestaltung der Welt im Kleinen, nämlich vor meiner Haustür, zu beteiligen. Ich kann nicht nur reden, ich muss auch machen.