"Wir müssen besser erklären, was die Kirche mit ihrem Geld macht"

Interview mit Fabian Spier, Leiter der Finanzabteilung im Landeskirchenamt

Laut einer aktuellen Umfrage des Norddeutschen Rundfunks (NDR) denkt mehr als jedes vierte Kirchenmitglied über einen Austritt nach – mehr als die Hälfte davon unter anderem wegen der Kirchensteuer. Fabian Spier, Finanzchef der hannoverschen Landeskirche, räumt ein, die Kirche müsse besser erklären, wozu sie ihr Geld verwendet. Zugleich fordert er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) ein Festhalten an der Steuer. Denn sie sei die wesentliche Grundlage für ein Engagement, von dem die gesamte Gesellschaft profitiere. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ist die größte evangelische Kirche in Deutschland.

So verwendet die Landeskirche Hannovers ihre Einnahmen.
Bild: EMA
So verwendet die Landeskirche Hannovers ihre Einnahmen.
Oberlandeskirchenrat Fabian Spier, Leiter der Finanzabteilung im Landeskirchenamt.
Oberlandeskirchenrat Fabian Spier, Leiter der Finanzabteilung im Landeskirchenamt.

Weitere Informationen

Laut einer aktuellen Umfrage nennen fast 40 Prozent der Menschen mangelnde finanzielle Transparenz als Hinderungsgrund für einen Eintritt oder Wiedereintritt in die Kirche. Was muss die Kirche da besser machen?

Spier: Unsere Finanzen sind transparent. Aber wir müssen besser erklären, was die Kirche mit ihrem Geld macht. Das möglichst einfach in der Öffentlichkeit darzustellen ist zugegebenermaßen allerdings nicht ganz einfach: Allein die Landeskirche Hannovers besteht aus rund 1.500 eigenständigen Körperschaften, die jeweils selbstständig über die Verwendung Ihrer Mittel beschließen.

Wie groß ist das Kirchensteueraufkommen der Landeskirche – und wofür wird das Geld genau verwendet?

Spier: Die Landeskirche plant für 2023 mit Einnahmen von 639 Millionen Euro aus Kirchensteuern. Davon erhält das Land Niedersachsen vier Prozent für den Einzug der Kirchensteuern über die Finanzämter. Diese Dienstleistung erhalten Kirchen also keineswegs kostenlos vom Staat. Den größten Teil der Kirchensteuern mit 70 Prozent verwendet die Landeskirche für die Arbeit in den Kirchenkreisen und Kirchengemeinden. Ein wesentlicher Teil davon entfällt auf die Gehälter von Pastoren, Diakonen, Kirchenmusiker, Küstern und der Beschäftigten in den Sekretariaten. Dazu kommen Ausgaben für die unterschiedlichen Angebote in der Gemeinde, für die Gebäudeunterhaltung und vieles mehr. Das Geld, das nicht direkt den Kirchengemeinden zugutekommen, verteilt sich auf die inhaltlichen Arbeitsbereiche der Landeskirche wie Bildung, Diakonie oder Ökumene sowie auf interne Aufgaben wie Verwaltung und Fortbildung.

In vielen Ländern der Erde, gerade des Globalen Südens, gibt es keine Kirchensteuern – und eine entsprechend arme Kirche. Dennoch gibt es ein womöglich intensiveres geistliches Leben als hierzulande. Hängt die Kirche wirklich so sehr am Geld?

Spier: Das System der Kirchensteuer ist sehr gerecht. Wer viel geben kann, gibt mehr, als jemand, der nicht so viel geben kann. Im Vergleich zu anderen Kirchen außerhalb Deutschlands oder Europas sind wir finanziell gut ausgestattet. Es ist einerseits gut, sich das bei den aktuellen Spardiskussionen klarzumachen. Denn ein lebendiges Gemeindeleben gibt es nicht automatisch dort, wo die meisten finanziellen Ressourcen vorhanden sind. Das ist eine Erfahrung, die wir auch bei uns kennen. Das hat auch etwas damit zu tun, wie wir als Kirche in einem Dorf oder Stadtteil verortet sind.

Auf der anderen Seite ermöglicht uns unsere finanzielle Ausstattung viele Dinge, die gerade mit Blick auf die ganze Gesellschaft wichtig sind: unser Engagement bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, im musikkulturellen Bereich, in der Diakonie, in der Notfallseelsorge und in noch in vielen weiteren Bereichen. Deshalb sind wir als Kirche auch nicht reich. Wir horten das Geld ja nicht, sondern investieren es in die hochprofessionelle und hochrelevante Arbeit sehr vieler Menschen.

Eine klare Mehrheit der Menschen, die einen Kirchenaustritt erwägen, geben an, die Kirchensteuer sei ein entscheidender Grund dafür. Ist die Steuer also ein zweischneidiges Schwert: sowohl eine Lebensgrundlage der Institution Kirche als auch ein gravierender Schrumpfungsfaktor?

Spier: Es geht um Kommunikation mit und Nähe zu unseren Mitgliedern: Wenn wir vermitteln können, wofür wir uns als Kirche einsetzen und Menschen immer wieder gute Erfahrungen mit uns machen, werden auch weniger Menschen aus der Kirche austreten. Wenn Kirche in meinem Leben aber keine Rolle spielt oder noch nie gespielt hat, dann fällt es nicht schwer, auszutreten. Wir haben es also zumindest ein Stück weit selbst in der Hand, ob die Kirchensteuer, die die Grundlage unserer Finanzierung ist, zu einem Schrumpfungsfaktor wird oder nicht.

Ebenso viele Menschen sind der Meinung, ein „Showstopper“ sei ein „fraglicher Umgang mit Kirchengeldern durch einzelne Amtsträger“. Ist das in der evangelischen Kirche, die nahezu alle Finanzentscheidungen über Gremien wie Kirchenvorstände, Kirchenkreissynoden oder die Landessynode trifft, überhaupt ein Thema?

Spier: Kein Unternehmen, keine öffentliche Einrichtung, keine Organisation und auch nicht die evangelische Kirche ist hundertprozentig gefeit gegen fragwürdigen Umgang mit Geld durch Einzelpersonen. Gleichzeitig sind wir mit unserem synodalen Prinzip, das die Haushaltshoheit sowohl in den Kirchenkreisen als auch in der Landeskirche bei den Kirchenparlamenten sieht, vor einer zweifelhaften Verwendung von Mitteln gut geschützt. Dazu sind die Haushalte öffentlich und werden regelmäßig geprüft. Alle Geldtransaktionen unterliegen zudem mindestens dem Vier-Augen-Prinzip.

Was bliebe ohne Kirchensteuern von der hannoverschen Landeskirche?

Spier: Die Kirchensteuer ist für uns grundlegend. Wir verfügen als Landeskirche über keine Rücklagen oder andere Vermögenswerte, aus denen wir die Dinge bezahlen könnten, die jetzt aus den Kirchensteuereinnahmen finanziert werden. Also all das, was nicht durch Gebühren oder staatliche Refinanzierung gedeckt ist: Angebote für Kinder und Jugendliche, Unterstützungsangebote für Bedürftige, Seelsorge, Hospizdienste, die Erhaltung von historisch bedeutsamen Kirchengebäuden und vieles mehr. Ohne das Kirchensteuerprinzip wäre unsere Landeskirche nicht annähernd so breit und flächendeckend aufgestellt, wie sie es heute ist. Klar ist, dass wir wegen der zurückgehenden Einnahmen nicht alles fortführen können. Aber die Kirchensteuer ermöglicht uns, dass wir in Zukunft überhaupt im Sozial- oder Bildungsbereich als Kirche aktiv bleiben können.

epd-Gespräch: Daniel Behrendt