Der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, und die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) rechnen damit, dass sich die Personalnot in Kitas weiter verschärft. „Der Fachkräftemangel ist im Kita-Bereich die größte Herausforderung der nächsten Jahre“, sagte Hamburg am Rande der landeskirchlichen Kita-Konferenz am Dienstag in Hannover. Die schwierige Aufgabe bestehe darin, die Qualität in den Kitas sicherzustellen und dennoch das Personal und die Eltern zu entlasten. Es gelte, den Kitas „Handlungssicherheit“ zu verschaffen.
Mit Blick auf den für Mittwoch von der Gewerkschaft ver.di ausgerufenen Streik im öffentlichen Dienst, von dem auch Kitas betroffen sein werden, sagte Diakonie-Chef Lenke, dass es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern evangelischer Kitas trotz kirchlichem Streikverbot freistehe, sich mit den Streikenden zu solidarisieren. Er appellierte jedoch an die Träger, bei der Entscheidung, ob sie den Beschäftigten freigeben können, den Wunsch der Eltern nach verlässlicher Betreuung zu berücksichtigen. In den Einrichtungen müsse mindestens eine „Notbetreuung“ sichergestellt sein.
Anlass für die Konferenz am Dienstag, an dem sich rund 80 evangelische Kita-Leitungen aus Niedersachsen beteiligten, war die Kita-Umfrage der Diakonie vom vergangenen September. Demnach haben 75 Prozent der 700 befragten Kitas unbesetzte Stellen. Dies wiederum führt der Erhebung zufolge bei mehr als der Hälfte der Einrichtungen zur tageweisen Schließung von Gruppen oder zur Verkürzung der Betreuungszeiten am frühen Morgen und am späten Nachmittag.
Um dem Unmut der Eltern zu begegnen und zum Wohle der Kinder gingen hochmotivierte Mitarbeitende häufig über persönliche Grenzen hinaus, indem sie Überstunden leisteten, erläuterte die Geschäftsführerin des evangelischen Kita-Verbandes Emden-Leer-Rhauderfehn, Alke Eden. Das führe mittel- und langfristig dazu, dass Fachkräfte krank werden oder den Beruf ganz verließen. Zu letzterem entschieden sich häufig junge Menschen, stellte Lenke fest. „Viele sagen: Das ist mir zu anstrengend und zu laut. Die Gruppen sind zu groß. Ich kann meinen Ansprüchen nicht entsprechen.“ Es dürfe nicht dazu kommen, dass der Beruf als unattraktiv verschrien sei, warnte der Diakonie-Chef.
Lenke schlug daher eine interdisziplinäre „Zukunftsallianz Kita“ vor, mit Fachleuten etwa von Kommunen, Kita-Trägern sowie aus Politik und Wissenschaft. Die Probleme könnten nur durch viele kleine Maßnahmen gelöst werden, beispielsweise durch einen erleichterten Quereinstieg sowie eine Vergütung für Auszubildende. Der Diakonie-Chef schlug außerdem vor, Menschen mit pädagogischer Grundausbildung als Betreuungs- und Assistenzpersonal einzusetzen.
Kultusministerin Hamburg begrüßte die Vorschläge und mahnte eine „Gestaltungsdebatte“ an, auch wenn sich am Fachkräftemangel selbst in absehbarer Zeit kaum etwas ändern ließe. Das Gespräch soll auf Einladung des Ministeriums beim Kita-Kongress am 25. Mai fortgesetzt werden.