Startseite Archiv Tagesthema vom 22. August 2020

Vergleiche

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Andacht zum 11. Sonntag nach Trinitatis

Menschen vergleichen. Die eigene Situation mit der von anderen. 

Kinder machen das fast automatisch: Wenn ein Kind ein Eis hat, will das nächste auch. Sonst ist das ungerecht – und es gibt Tränen. 

Aber Erwachsene hören damit nicht auf. Meine Freundin hat ständig Glück in ihrem Leben. Im Beruf. Mit ihrer Figur. Bei den Männern. Und ich? Das ist doch alles ungerecht!

Menschen vergleichen. Menschen machen sich damit oft unglücklich.

Die Bibel erzählt immer wieder von Menschen, die vergleichen. Und aus ihrer Not heraus, eine Ungerechtigkeit zu empfinden, auch auf grausame Lösungen kommen. Josefs Brüder wollen den kleinen Strahlemann loswerden und verkaufen ihn an eine Karavane. Kain hält es nicht aus, dass Abel besser dasteht und schlägt ihn tot. Unter Brüdern ist das Vergleichen scheinbar besonders gefährlich.

Jesus erzählt von zwei Männern. Einem Pharisäer und einem Zöllner. Beide gehen in den Tempel, um zu beten. Der Zöllner ist ganz bei sich. Der Pharisäer vergleicht. In seinen Augen kommt er selbst besser weg als der andere. Darin liegt sein Irrtum.

Jesus zieht das Fazit: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Viel später hat Luther den Ausspruch über den Menschen an sich geprägt: simul iustus et peccator. Der Mensch ist gleichzeitig gerechtfertigt und Sünder. Er ist beides. Weil der Zöllner den Sünder in sich sieht, ist er gerechtfertigt bei Gott.

Luther hat diese Erkenntnis bei der Lektüre von Texten des Apostels Paulus gewonnen. Im Lukasevangelium entdecke ich es auch. Und das Überzeugende daran, finde ich, ist das Gleichzeitige. Menschliche Existenz ist nicht eindeutig. Auch diese Medaille hat zwei Seiten. Das zu erkennen, erfordert viel Liebe. Wahrscheinlich besonders sich selbst gegenüber.

Amen.

Jakob Kampermann
Bild: pixabay.com

Der Bibeltext

Jesus sagte aber zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis:

Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.

Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!

Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Lukas 18,9-14
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Bild: Wiebke Ostermeier/lichtemomente.net

Der Autor

Jakob Kampermann. Bild: Jens Schulze