Gott hat sie bei ihrem Namen gerufen
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Andacht zum Ewigkeitssonntag
Einer von denen, die im letzten Kirchenjahr gestorben sind, fragte sich ständig, wo die Jahre geblieben sind.
Eine war erfolgreiche Abteilungsleiterin und ist aber nach der Geburt ihrer Kinder nicht wieder in ihren Beruf zurückgekehrt, obwohl der Chef sehr bettelte.
Einer war sehr genau und legte sehr viel Wert auf anständige Kleidung mit Seidenkrawatte, doch plötzlich kaufte er seinem Sohn ein Skatebord und sich gleich eines mit.
Einer verlor seinen Vater sehr früh und war plötzlich verantwortlich für seine zehn kleinen Geschwister.
Einer plante seine Beerdigung ohne viel Tamtam, weil er Gott so böse war, dass seine Zeit bald ablaufen wird.
Einer ist sehr ernst geworden durch seine Krankheit, aber beim Ohnsorg-Theater lachte er herzhaft.
Viele haben gerne gelebt.
Eine wollte mit 80 Jahren endlich Schwimmen lernen.
Einer hat seinen Schmerz betäubt.
Eine musste ihre Ausbildung zur Bankkauffrau abbrechen, weil ihre Mutter krank wurde und es sich damals so gehörte.
Einer hat es am Ende noch geschafft, seine Gefühle zu zeigen und sich zu versöhnen.
Sie alle hatten jemanden, den sie liebten.
Eine hatte starke Knochenschmerzen, aber es hinderte sie nicht daran, Unkraut rauszuzupfen wenn sie es sah, nicht nur zu Hause.
Eine spielte im hohen Alter noch Fußball mit ihren Enkeln auf Familienfeiern, auch wenn ihre Kinder darüber schimpften.
Eine hätte so gerne noch die Geburt des Enkels erlebt.
Einer aß zu Hause nur selbstgezüchtete Gurken, aber im Jugoslawienurlaub aß er zur Verwunderung seiner Familie plötzlich Paprika.
Einer fuhr Kunstfahrrad
Eine liebte es sehr für ihre Familie den weltbesten Grünkohl zu kochen.
Einer erzählte oft wie er sich als Kind hinter Hecken vor Soldaten versteckte und wie der große Feuerschein über Emden aussah.
Einer zeigte seiner Familie, dass man jeden Tag genießen kann, auch wenn die Leute darüber reden
Eine bekam zu ihrem 90, Geburtstag von jedem Enkel und Urenkel eine Rose überreicht zu dem Lied „Rote Rosen“
Und alle hatten jemanden, der sie liebte.
Eine hat immer gefragt, wie es den anderen geht. Auch, als es ihr schlecht ging.
Einer hat in seinem Leben nie die Sonne, den Schnee oder Regen gesehen
Und alle ihre Tage waren in Gottes Buch geschrieben.
Eine schrieb ihrem liebsten über Jahre viele Briefe, so dass die Feldpost viel zu tun hatte.
Einer bereute, dass er am Tag des Unfalls mit dem Fahrrad gefahren ist.
Eine ist nie wieder in ihre Heimat gefahren, aus der sie als Kind vertrieben wurde.
Eine ist zum Schluss aggressiv geworden. Ein anderer sanft.
Einer hat nie über den Tod reden wollen, sondern lieber über das Leben. Eine andere hat alles genau vorbereitet.
Eine sagte immer bis zuletzt „Ich bin zufrieden“.
Einige hatten keine Angst vor dem Tod. Manche haben auf den Tod gewartet.
Einige starben zu früh. Manche viel zu früh.
Sie alle hat Gott bei ihrem Namen gerufen. Und in seiner Hand sind sie nun geborgen.
Amen.
Cathrin Meenken