Sorgen um den Sonntag
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EKD-Studie zum Kirchgang führt weiterhin zu Diskussionen
Die erste Aufregung hat sich gelegt: Niemand will den Sonntagsgottesdienst abschaffen. Auch die Verfasser der Kirchgangsstudie, die die Debatte ausgelöst hatten, wollen dies nicht. Die Gemeinden müssten aber überlegen, wie in Zeiten schwindender Besucherzahlen die personellen Ressourcen sinnvoll genutzt werden können, sagt die Uelzener Pastorin Julia Koll, Leiterin der Arbeitsgruppe "Faktoren des Kirchgangs" der Liturgischen Konferenz in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Gruppe hatte nach der Auswertung der Daten von rund 10.400 Menschen mit dem Fazit provoziert, dass mit Blick auf die geringe Reichweite des normalen Sonntagsgottesdienstes "vielerorts engagierter und ergebnisoffener über seinen Fortbestand diskutiert werden" müsse.
Dies wurde jetzt bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg getan. So berichtete etwa Dankmar Pahlings, Pfarrer im Kirchenkreis Köthen der Landeskirche Anhalts, von seinem Alltag mit sechs Gemeinden, die er zu betreuen hat. Die kleinste habe 22 Mitglieder, alle hätten eine Kirche, in die jeweils mehr als die gesamte Zahl der Mitglieder passe. Er kenne Gemeinden in der Umgebung, in denen niemand zur Christvesper kommt. Pahlings suchte deshalb Kooperationspartner: Er ließ die örtliche Kinderfeuerwehr das Krippenspiel gestalten. "Es gibt bei uns gemeinsame Veranstaltungen, die nicht mehr alle Gottesdienst nennen", sagte der Pfarrer. Aber es gibt sie.
Ganz so extrem ist es nicht überall. Dennoch überlegt Helmut Wöllenstein, Propst des Sprengels Marburg in der Kirche von Kurhessen-Waldeck, ob man den Gottesdienst erst ab einer Mindestzahl von zehn Besuchern stattfinden lassen sollte. Zumindest gebe es in seiner Kirche das bislang ungeschriebene Gesetz, dass eine Pfarrperson maximal zwei Gottesdienste pro Sonntag anbieten solle. "Um dem Burnout vorzubeugen." Wer vom Sonntag abrücken wolle, würde jedoch aus der Kirchengeschichte aussteigen und in der Ökumene Befremden hervorrufen, etwa bei den Katholiken mit ihrer Sonntagspflicht, sagte Wöllenstein. Nicht zuletzt würde die Kirche gegenüber dem Staat die Plausibilität des Feiertagsschutzes zur Disposition stellen.
Dass der traditionelle Gottesdienst noch Mittelpunkt der Gemeinde sei, behauptete bei der Tagung in Loccum niemand. Laut dem Bonner Theologieprofessor Michael Meyer-Blanck erwarteten die Menschen von einem guten Gottesdienst, dass er sie religiös und persönlich anspricht. Dafür sei die Form zweitrangig. Meyer-Blanck sieht das Heil daher nicht in einer noch größeren Differenzierung und immer mehr besonderen Gottesdiensten für bestimmte Zielgruppen. Eine religiöse Motivation sei bei vielen Besuchern der zunehmenden Kasualgottesdienste anlässlich von Taufe, Beerdigung oder Einschulung fraglich. Man gehe dann eher Verwandten oder guten Freunden zuliebe in die Kirche. "Einige kennen den Kirchgang offensichtlich vor allem aus sozialer Nötigung", sagte Meyer-Blanck.
An der Verbindung von Gottesdienst und den Lebensbedürfnissen nicht religiös sozialisierter Menschen werde sich für die Zukunft der Kirche eine Menge entscheiden, gab Emilia Handke, Leiterin der Arbeitsstelle "Kirche im Dialog" der Nordkirche, zu bedenken. "Menschen werden uns dort wertschätzen, wo wir ihnen das Leben erleichtern." Dafür dürfe man schon mal zu ungewöhnlichen Methoden greifen. So habe ein junger Pastor in Hamburg das Predigtthema seines nächsten Gottesdienstes beim Online-Auktionshaus "Ebay" versteigert. Immerhin 205 Euro kamen so für die Kollekte zusammen. Der Themenwunsch des Meistbietenden: "Kommt man auch mit einer vier minus ins Reich Gottes?"