Geschlagen und gesegnet
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Andacht am 12. Sonntag nach Trinitatis
Schon lange fasziniert mich eine biblische Gestalt in der Bibel besonders: Der Zwilling Jakob. Mit diesem Jakob verbinden mich nicht nur der Name und das Zwilling-Sein, sondern auch eine Gehbehinderung.
Am Jabbok kämpft er mit Gott und trägt eine Gehbehinderung davon. Gott schlägt ihn so auf die Hüfte, dass Jakob seitdem ein Bein nachzieht. In meiner Vorstellung ist es natürlich sein rechtes, weil meine Gehbehinderung im rechten Bein anfing. Diese Behinderung wird ein Stigma, das Jakob als den erkennbar macht, der mit Gott gekämpft hat. Genau das drückt der Name aus, den Gott ihm nach dem Kampf gibt, Jakobs Kampfname: Israel – der Gotteskämpfer.
Jakob ringt mit seinem Gott. Er ist bereits verletzt, lässt aber nicht locker. Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Und so geht diese Episode denn auch aus. Gott segnet Jakob. Allerdings: Diesen Segen trägt Jakob hinkend davon. Von Gott gesegnet zu sein und eine Gehbehinderung schließen sich schon im 1. Buch Mose nicht aus. Beides gehört sogar unmittelbar zusammen.
Ich muss zugeben, dass es in meinem Fall wohl umgekehrt ist. Da war zuerst die Behinderung und dann das Ringen mit Gott. Umso dringlicher sind mir die Worte des biblischen Jakobs vertraut: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Sollte ich etwa wie mein Namensvetter schleppend aber gesegnet meines Weges ziehen können? Was beim biblischen Jakob unmittelbar zusammen gehört, würde ich auch gerne zusammen denken und empfinden können.
Ich möchte mich auf die Suche danach machen, was mir die Bibel dazu sagen kann. Vor allem die Erzählungen im Neuen Testament reizen mich. Von Jesus sind spektakuläre Heilungen überliefert. Wie ist damit aus behinderter Perspektive umzugehen? Erzählen sie „lediglich“ ein Beseitigen gesundheitlicher Defekte, oder kann ich in ihnen noch mehr entdecken – so dass auch ich als Nicht-Geheilter die Erzählungen lesen mag?
Diese Fragen sind ganz automatisch Fragen nach meinem Gott: Wer ist das, der Menschen leiden lässt? Kann er nicht anders – oder will er nicht anders? Es sind Fragen nach mir selbst: Wie kann ich mich selbst sehen – und akzeptieren? Und es sind Fragen nach der Beziehung zwischen Gott und mir: Mag ich an diesem Gott festhalten – fühle ich mich von Gott fest gehalten? Ich habe heute die Idee, dass dieses Unterfangen bisweilen anstrengend wird. Ein Ringen mit Gott eben. Aber einem Jakob durchaus angemessen.
Amen.
Jakob Kampermann