Was für eine Vision!
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Andacht zum 8. Sonntag nach Trinitatis
Liebe digitale Gemeinde,
... und dann schlage ich die Zeitung auf. Und lese vom Attentat im Einkaufszentrum in El Paso. Was der Täter dort veranstaltet hat, ist furchtbar. Seine Beweggründe für die Tat sind ähnlich furchtbar wie die Möglichkeit, die er hat, an eine Waffe zu kommen.
Ich habe nie wirklich eine Waffe in der Hand gehabt. Von Klein auf haben meine Eltern mir das eingeimpft. Ich erinnere mich an Friedensdemonstrationen, zu denen meine Eltern mich damals mitgenommen haben. Anfang der 80er. Ich musste die Gewehre meiner Playmobil-Indianer in ein Antikriegsdenkmal eingipsen lassen. Ich glaube, ich habe schon verstanden, worum es ging. Ich habe das aber nicht gerne getan. Deshalb wohl die feste Erinnerung.
Jahre später habe ich den Wehrdienst an der Waffe verweigert. Aus Überzeugung. In der Verweigerung habe ich es mir nicht leicht gemacht. Ich habe darzulegen versucht, wie meine ethische Entscheidung entstanden ist. Und ich musste mir von meinen Eltern sagen lassen, dass wir Kinder doch immer Stöcker gefunden haben, um mit Waffen zu spielen. Wir fanden das reizvoll, Waffen in der Hand zu haben und damit Macht auszuüben. Schwierig wurde es immer dann, wenn das Spiel nicht funktionierte. „PENG – Du bist getroffen!“ – „Bin ich nicht! Du hast vorbeigeschossen!“
Wirklich schwierig wird es, wenn es keine Spielzeugwaffen sind, mit denen geschossen wird. Wenn Menschen wirklich getroffen werden. Sei es im Krieg, sei es im Einkaufszentrum. Jeder Getroffene ist einer zu viel.
Ähnlich hilflos erscheint es mir, als Reaktion des Staates schnell umzusetzende Todesstrafen zu fordern. Der Staat erscheint damit zwar als stärkster Souverän. Aber es ändert nichts an der Sachlage, die dem Attentäter zum Motiv wird.
Der Prophet Jesaja erzählt eine Vision: Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Dann wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Was für ein Vision! Ich habe Respekt vor Menschen, die sich für diese Vision einsetzen. Solche Menschen gibt es etliche, in Politik, in Vereinen, in Nachbarschaften, der Bundeswehr... Gott sei Dank!
Doch gleichzeitig ahne ich, dass wir Menschen das nicht alleine hinkriegen. Und dass die Bitte an Gott weiterhin bestehen muss, dass er das schafft, was Menschen nicht schaffen: Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.
Amen.
Jakob Kampermann