#gottistgeil in Dortmund
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Vikar Chris Schlicht hat dem Kirchentag eine eigene Bildsprache verpasst
Ein junger Mann hält in der einen Hand einen Selfie-Stick, in der anderen eine schmale weiße Kerze. Er lächelt sanft in die Kamera seines Smartphones. Im Hintergrund: Bühne, Menschen, ein Lichtermeer. Ein Foto von der „Nacht der Lichter“, aufgenommen am Freitagabend auf dem Kirchentag in Dortmund. 406 Menschen gefällt dieses Bild und haben es gezeigt. Weit mehr haben es gesehen, aber keine Spuren im Netz hinterlassen.
Chris Schlicht ist Vikar in Gronau an der Leine. „Ich bin ein weiteres digitales Gesicht der Landeskirche“, sagt er über sich selbst. Mit dem Auftrag, im Internet vom Kirchentag zu erzählen, ist er nach Dortmund gefahren. Ein sogenannter „Scout“ war er für seine Kirche, wie auch die Evangelische Jugend Leine-Solling oder eine inklusive Gruppe aus Rotenburg. Zu sehen sind seine Bilder da, wo viele 18- bis 34-Jährige heute sind: bei Instagram, in seinem Profil _wunschkind_. Die Plattform ist bekannt für ihre ästhetische, deutliche Bildsprache – und wenigen Worte. „Ein-Bild-Predigten“ nennt der angehende Pastor manche seiner Fotografien.
„Die Leute haben das Gefühl, dass sie mich schon kennen“, beschreibt Chris Schlicht die Wirkung seiner Internet-Arbeit. „Das ist eine gigantische Chance.“
So bummelte er durch das Zentrum Jugend mit seiner Container-Kirche und den unzähligen Pavillons voller ausgefallener Angebote, als er auf einmal zwei Jungen hinter sich tuscheln hört. „Ist er das?“ Im Augenwinkel beobachtete er die Köpfe der jungen Kirchentagsbesucher, die sich abwechselnd auf ihn und ihre Smartphones richteten. „Ich habe mich zu erkennen gegeben“, erzählt Schlicht fröhlich. „Wir haben dann über den Kirchentag geplaudert und über das, was ich mal besser machen kann.“
Dass er plötzlich als Vorbild gilt, passiere eher nebenbei. „Instagram ist doch nur der Versuch, um über meine Persönlichkeit nach oben zu zeigen“, sagt er. Um Gott geht es ihm. In Chris Schlichts Worten: „#gottistgeil“.
Nach dem, was besser zu machen ist, hat der Theologe auch in seinen Interviews geforscht. Etwa 60 Gespräche, die meisten mit Jugendlichen, hat ein Kamera-Team aufgenommen – bald sollen die ersten auf den Online-Kanälen wie der Facebook-Seite der Landeskirche Hannovers stehen. „Ich habe vor allem gefragt, wie Gottesdienste erlebt werden“, sagt Schlicht. „Vielen sind sie zu wortlastig.“ Und: Das Mitmachen fehle. „Man kann doch zum Beispiel einfach mal in der Kirche tanzen“, überlegt der Vikar. „Wir haben die Freiheit, einen Gottesdienst zu feiern, wie wir ihn noch nie hatten.“ Sein persönliches Bild vom 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag sei daher der „monkey dance“ gewesen. „Ein total verrückter Tanz“, in dem sich unzählige Jugendliche synchron nach links und rechts und schließlich wild durcheinander bewegt hätten – wie die Affen eben. „Ich fühle mich so reich beschenkt von Gott“, sagt Schlicht. All das hätte er nie erwartet.
Ein Geschenk fand er auch auf dem „Markt der Möglichkeiten“ in Halle 5. „Dort habe ich die Bibel als Computerspiel ausprobiert“, erzählt er.
Mitten in der Zeit Jesu steckte er dank eines US-amerikanischen Entwicklerteams, „die Bibel lässt sich damit zocken. Das wäre doch mal ein ganz anderer Gottesdienst“, meint Schlicht, der voraussichtlich im Sommer 2020 seine erste Pfarrstelle antreten wird.
Den Kirchentag hat Chris Schlicht aber auch nach Loccum ins Predigerseminar gebracht, wo sein Ausbildungsjahrgang lernen musste. „Auf eine gewisse Art waren so meine Kollegen dabei“, erzählt er.
„Man muss sich immer wieder kurz rausnehmen aus dem Geschehen, um andere mitzunehmen.“
Catharina Volkert