„Der Weg an sich hat schon einen Wert“
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Eine Woche Zeit für anders unterwegs sein
Tag 1: (Carolin)
Mit einer Negativbilanz und einem schlechten Gewissen starte ich in die Woche. Wir waren vier Tage in London. Durch unsere Hin- und Rückflüge sind 2 qm (!) Meereseis geschmolzen. Ich kann es mit einer Spende für Klimaschutzprojekte kompensieren: 872 kg CO2, Kompensationsbetrag = 21 Euro. OK, aber mein schlechtes Gewissen bleibt. Heute, 19 Uhr: KV-Sitzung in Elstorf. Mit dem Mini brauche ich eine halbe Stunde, mit ÖPNV wären es 1:36 Stunden. Und zurück? Wann endet die Sitzung, wann fahren Bus und Bahn? Nach einem vollen Arbeitstag ist das keine Alternative für mich, ich nehme den Mini.
Tag 2: (Birte)
Wocheneinkauf für eine Familie – heute mal zu Fuß und mit Bus. Ganz schön schwer! Ich habe schon beim Einkaufen entschieden, dass ich einiges erst Ende der Woche besorge, sonst hätte ich wohl noch eine Tasche mehr gehabt. Das nächste Mal nehme ich doch lieber das Rad und Fahrradtaschen.
Tag 3: (Carolin)
Völlig im Alltagstrott gefangen, fahre ich bislang zu jedem Termin mit dem Auto. Das will ich ändern, weitere Strecken der Mini, kürzere Strecken das Rad, wenn es nicht regnet. Wäre ein E-Auto eine Alternative? „Für Ihre kurzen Fahrten im Landkreis wäre das schon richtig“, sagt der KFZ-Meister. „Besser noch abwarten“, ergeben meine Internet-Recherche, Gespräche in der Familie und die Aussage des Autoverkäufers. Mich beschäftigt die Frage der Akkus. In Südamerika werden täglich 25 Millionen Liter Grundwasser für die Gewinnung von Lithium aus dem Boden gefördert.
Tag 4: (Birte)
Stefan Niemöller ist Stadtbaurat und hat mich neu für Buchholz begeistert. Es gibt Fahrradboxen, einen Zuschuss zu Elektrorädern und demnächst Fahrradrouten für Querverbindungen, auf Strecken, die angenehm zu fahren sind. Es soll allen, die innenstadt-nah wohnen einfach gemacht werden, das Rad zu nehmen oder zu Fuß zu gehen. Mal abwarten, was in den nächsten Jahren so passiert. Und Beschwerden über Löcher in Wegen etc. kann ich einfach in eine Melde-App eintragen - die habe ich mir gleich aufs Handy geladen.
Tag 5: (Carolin)
Mit dem Rad fahre ich zur politischen Gemeinde Seevetal und spreche mit Pressesprecher Andreas Schmidt übers Klimafasten. Was tut Politik auf dem Land? Ich erfahre: Rad-Pendler-Schnellwege sind derzeit ein „Gedankenspiel“ in der Politik. Alle Radboxen an den Seevetaler Bahnhöfen sind belegt, vereinzelt gibt es Ladestationen für e-Autos. Die Gemeinde investiert viel Geld in die Verbesserung des ÖPNV. Zurück fahre ich wieder mit dem Rad, ich bin an der frischen Luft, tue etwas für meine Gesundheit.
Tag 6: (Birte)
Heute hatte Lene Schwimmkurs. Die letzten Wochen sind wir mit dem Auto gefahren, meist aus Zeitgründen. Außerdem ist Freitag, alle sind kaputt von der Woche, danach will ich schnell nach Haus. Heute sind wir mit dem Fahrrad gefahren! Wir brauchen 25 Minuten, aber die Sonne scheint und wir schaffen es – und sind stolz, als wir schließlich wieder zuhause sind.
Tag 7: (Carolin)
Mit dem Rad zur Kirchenkreiskonferenz nach Maschen. 5 Grad, Sonnenschein, kurze Strecke – es macht Spaß.
Ende der Woche– wir wagen ein Fazit:
Carolin:
Ich brauche mehr Zeit und gutes Wetter für die kurzen Strecken per Rad. Aber ich überlege jetzt jedes Mal, ob ich Auto oder Rad fahre. Radfahren bringt Spaß, ich absolviere bei der Arbeit so nebenbei ein kleines Sportprogramm, fühle mich aktiver, es schont die Umwelt und den Geldbeutel.
Birte:
Eigentlich hält mich nur der Schweinehund und die Zeit davon ab, nicht das Auto zu nehmen. Mit dem Schweinehund kann ich diskutieren. Gegen den Faktor Zeit versuche ich nicht immer alles gleichzeitig machen zu wollen und mache einen Perspektivwechsel: Ich habe neu gelernt, dass der Weg an sich schon einen Wert hat und nicht ein notwendiges Übel. Mit meinen Kindern ist eine Busfahrt ein Abenteuer und zu Fuß sind wir auf Entdeckungsreise. Ich habe Zeit zum Reden. Mit dem Fahrrad schaffen wir gemeinsam etwas. Es entschleunigt - und das tut gut!