Noch einmal nur bei sich sein...
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Andacht zum 1. Sonntag Epiphanias
Es ist die Geschichte eines ganzen Volks, oder vielleicht mehr von vielen Menschen, die ein Volk werden wollen. 40 Jahre sind sie bereits unterwegs,
geflohen bei Nacht und Nebel, übers Meer – angeführt von Mose, der nun nicht mehr lebt. Er hat ihnen versprochen sie ins eigene Land zu bringen, in ein Land, in dem Milch und Honig fließt. Voller Hoffnung sind sie aufgebrochen. Voller Mut. Voller Zuversicht.
Und dann?
40 Jahre sind sie durch die Wüste gezogen. Hunger, Entbehrung, frostige Kälte in der Nacht, sengende Sonne am Tag. Streit haben sie bekommen, untereinander und miteinander, Feste haben sie gefeiert und Menschen beerdigt, die sie lieb gehabt hatten. 40 lange Jahre.
Jetzt sind sie angekommen. An einem Fluss, am Jordan. Sie haben ihr Lager aufgeschlagen. Sie haben auf den Fluss geschaut. Und über den Fluss hinüber. Da ist das Land, da ist das Ziel ihrer Träume, der Träume ihrer Eltern, ihrer Großeltern, all derer, die damals aufgebrochen sind, vor 40 Jahren.
Jetzt dieser Fluss, der Jordan, wie sollen sie darüber kommen. Mit all dem Gepäck und den Tieren und den Kindern. Zaghaft werden sie. Ängstlich. Hoffnungslos. Warum jetzt noch dieser Fluss? Einige stehen am Ufer, schauen hinüber. Das Ziel – so nah und doch so fern. Sie sehen das Land auf der anderen Seite. Grün ist es dort. Tiere grasen. Felder sind zur Ernte bereit. Menschen leben dort.
Doch wie sollen sie rüberkommen? Ihr Anführer – Moses – ist gestorben. Und Josua, der neue, ist noch unerfahren, kennt sich noch nicht aus. Aber einen Weg zurück gibt es auch nicht mehr. Tagelang lagerten sie am Ufer des Flusses. Saßen beisammen. Schauen hinüber. Dachten nach: Wie kommen wir über den Fluss? Ein Brücke bauen? Dauert zu lange. Eine Furt suchen? Die Späher, die schon unterwegs waren, haben keine gefunden. Einfach auf dieser Seite des Flusses bleiben. Einige haben sich dafür entschieden, aber das Ziel ist doch auf der anderen Seite des Flusses.
Sie haben Gottesdienst gefeiert. Haben sich um die Bundeslade versammelt. Gebetet. Nachgedacht. Meditiert. Gesungen.
Da sprach Josua zum Volk:
Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her!
Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her.
Der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen.
Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan.
Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.
Über den Jordan gehen – damals das Volk Israel auf seinem Weg in ein Land, das Gott ihnen versprochen hat. Über den Jordan gehen - wir immer wieder: Eine neue Arbeitsstelle, eine neue Wohnung, etwas, was das Leben komplett anders, komplett neu macht.
Die Israeliten haben noch einmal ein Lager aufgeschlagen, bevor sie über den Jordan gehen. Was steckt dahinter? Welche Sehnsucht? Welche Hoffnung? Noch einmal nachdenken. Noch einmal nur bei sich sein. Noch einmal alles überdenken. Noch einmal meditieren. Noch einmal beten. Nicht um alles in Frage zu stellen, oder gar abzusagen, sondern um sich sicher zu sein.
Wenn ein Lebensweg über einen Jordan führt, wenn was ganz Neues beginnt, wenn ein Schritt im Leben das Leben total verändert. Wer sich sicher ist, wer sich gefestigt hat, in seiner Entscheidung, auf seinem Weg über den Fluss, über seinen Jordan, kommt trockenen Fußes auf der anderen Seite an.
Christof Vetter