Kirche, Küche, Kommunalpolitik
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Der Hannoveraner Henning Hofmann findet seine Freiräume am Herd
Plötzlich wird’s dunkel am Esstisch. Henning Hofmann wedelt mit der Hand vor einem weißen Kästchen herum. „Bewegungsmelder ...“, erklärt der 40-Jährige. Das Licht wird wieder heller, scheint auf weiße Teller von Villeroy & Boch, Besteck von WMF und drei dampfende Schüsseln. „Sumach-Hähnchenbrust “, leicht angebratenes Gemüse, ein Risotto mit Rauchmandeln und einem verboten hohen Anteil Parmesankäse. Den hat Hofmann mit der Hand in den Topf gebröselt. „Ich fühle und rieche die Zutaten gerne, das ist toll.“
Die Gewürze für die Hühnerbrust zählt der Gastgeber aus dem Kopf auf: „Zwiebeln, Zitrone, Salz, Pfeffer, Zimt ...“ Und sagt beiläufig: „Das Fleisch ist seit 24 Stunden mariniert, das musste nur noch in den Ofen.“ Hinter „nur noch“ steckt allerdings Planung. Hofmann sitzt neben seiner Arbeit beim Stadtjugendring Hannover für die SPD im Stadtrat, ist Bürgermeister des Stadtbezirks Buchholz-Kleefeld und seit dem Frühjahr 2018 engagiert als Kirchenvorsteher in der Kirchengemeinde Groß-Buchholz. Die Zeit zum Einkaufen und Kochen musste er im Kalender lange suchen. „Endlich mal ein freier Abend, das hatte ich seit Wochen nicht.“
Schon mit Eltern und Bruder habe er gerne gekocht, erzählt Hofmann. In seiner Küche stapeln sich Gewürzdosen. „Ich probiere gerne aus“, sagt der studierte Politikwissenschaftler über seinen Freiraum am Herd. Allerdings will er sich künftig beim Einkaufen etwas einschränken – nachdem er ein teures Gewürz des Kochs Alfons Schuhbeck wegwerfen musste. „Die Mischung hat hier zu lange gestanden. Ich kombiniere jetzt mehr Zutaten selbst.“
Hofmann hat Freude am Essen – und er hat Spaß dran, das anderen mitzuteilen. Hunderte Interessierte, die ihm bei den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram folgen, können die Bilder sehen: Kürbissuppe mit Stracke auf dem eigenen Esstisch, der Bezirksbürgermeister am Kuchenbuffet in der Seniorenbegegnungsstätte oder beim Grünkohlessen der Freiwilligen Feuerwehr. Am Morgen danach, gegen 6.30 Uhr, liefert Hofmann auch oft die Bilder aus dem Fitnessstudio dazu. „Ich würde gern viel öfter hingehen, dazu reicht die Zeit nicht. Aber ich gehe viel zu Fuß, an guten Tagen bis zu 26.000 Schritte.“
Stadionbesuche bei Hannover 96 und Bilder von Ratssitzungen finden sich ebenfalls auf Hofmanns Seiten. Vor einem Jahr hat bei Facebook auch ein verstörendes Bild gepostet – aufgenommen in einem Krankenhausbett, Hofmann trägt Mundschutz und OP-Haube. „Ich hatte eine äußerst schwere Phase“, sagt er im Rückblick. Er habe lernen müssen, Dinge gelassener zu sehen. Daran arbeite er nun jeden Tag.
Weniger arbeiten, das schaffe er allerdings nicht, sagt der Politologe. Und auch, wenn es eine zusätzliche Aufgabe sei, habe er sich entschieden, im Frühjahr 2018 für den Kirchenvorstand zu kandidieren. Ja, hinter vorgehaltener Hand habe es Vorwürfe gegeben, er wolle doch mit dem Amt bei der Kirche nur für sich werben. Offen gesagt habe ihm das aber niemand. „Ich will der Kirchengemeinde etwas zurückgeben“, erklärt Hofmann sein Engagement. Vorgeschichte: In einem ehemaligen Krankenhaus im Stadtbezirk gab es Hannovers größte Flüchtlingsunterkunft. „Bis zu 1000 Menschen haben dort gelebt, bis zu 300 Ehrenamtliche haben sich enorm für die Menschen eingesetzt.“ Ohne die Hilfe der Kirchengemeinde wäre das nicht möglich gewesen, so der Bürgermeister. Der Einsatz habe sich ausgezahlt: „Trotz der vielen Menschen auf engem Raum hat es nicht eine negative Schlagzeile über die Unterkunft gegeben.“
Hofmanns Beziehung zur Kirche ist eine besondere. „Meine Mutter hasst die Kirche, ich bin in einem atheistischen Elternhaus aufgewachsen.“ In ihrer Kindheit sei sie von katholischen Pfarrern diskriminiert worden, deshalb sei sie später ausgetreten. Seine Oma habe ihm trotzdem Kinderbibel und das Buch vom „Engel Hatschi“ geschenkt. Mit Mitte 20 sei er mit der Kirchengemeinde in Lüdersen in Kontakt gekommen. Ganz handfest, es wurden Helfer gesucht, um den verwilderten ehemaligen Friedhof um die Kirche in Stand zu setzen. Dabei sei er immer intensiver mit Pastor Harald Lemke ins Gespräch gekommen. „Ich habe ihn gefragt, ob er nicht mit mir daran arbeiten könnte, dass ich Christ werde – und am Ende stand für mich fest, dass ich mich taufen lasse.“
Heute sagt Hofmann: „Ich rede fast täglich mit Gott, das ist für mich Hoffnung.“ Der Gastgeber räumt die Teller zusammen und serviert zum Abschied starken Kaffee. Für später hebt er sich noch einen Nachtisch auf. „Ich gönn’ mir gleich noch eine Zigarre auf dem Balkon.“
Dirk Altwig