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Basel Abdulhadi absolviert als einer der ersten Flüchtlinge den Bundesfreiwilligendienst in Niedersachsen
Hip-Hop-Bässe dröhnen aus den Lautsprechern. Mehrere Jugendliche spielen Kicker. Es wird gescherzt und gelacht. Mittendrin ist Basel Abdulhadi. Seit mehr als einem Jahr arbeitet der aus Syrien stammende Palästinenser im kirchlichen Jugendzentrum "Phoenix" in Bad Gandersheim als Betreuer. In Niedersachsen gehörte er zu den ersten 130 Flüchtlingen, die als "Bufdi" einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. "Es war der beste Anfang, den ich mir vorstellen kann", sagt der 22-Jährige mit einem Lächeln.
Die Geschichte vom Krieg und Abdulhadis Flucht über das Mittelmeer und den Balkan können sich viele Jugendliche nur im Ansatz vorstellen. "Als ich in ihrem Alter war, hat der Krieg bei uns angefangen", sagt der Palästinenser mit ernstem Blick in die Gruppe. Plötzlich musste er überlegen, wie er zur Schule kommt und wie er anschließend die Eltern mit Arbeit unterstützen könne. Die Schule schloss er trotzdem mit einer Bestnote ab. Dass einige seiner Schützlinge im Jugendzentrum kein Abitur machen wollen, weil es ihnen zu anstrengend ist, kann Abdulhadi daher nicht verstehen. "Wenn man etwas will, dann wird man diese Sache schaffen und das versuche ich, ihnen beizubringen. Ich hoffe, dass sie das verstehen können."
Trotz des guten Starts in Deutschland gehörten zu Abdulhadis Leben nach wie vor traurige Phasen. Seine schwer kranken Eltern musste er in Damaskus zurücklassen, erzählt er. Ungewiss bleibt auch sein Aufenthaltsstatus. Sogenannten subsidiären Schutz hat er nur bis Ende September. Ein Anwalt kämpft nun dafür, dass er in Deutschland bleiben kann.
Abdulhadi spricht mittlerweile fließend Deutsch. Vormittags besucht er an der Uni Göttingen einen Intensivsprachkurs. Im nächsten Jahr will er dort gerne Informatik zu studieren. Von nachmittags bis abends ist er seit mehr als einem Jahr im Jugendzentrum als "Bufdi" gemeinsam mit einem deutschen Tandempartner für die Jugendlichen Ansprechpartner, Projektleiter oder Streitschlichter. Auch um Kasse und Büro kümmert er sich. "Ich brauche etwas zu tun, ich kann nicht nur zu Hause sitzen", sagt er bestimmt.
Seit Ende 2015 gibt es den vom Bund geschaffenen "Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug". Dabei können sich auch Flüchtlinge wie Abdulhadi als Bufdis in sozialen, kulturellen und ökologischen Einrichtungen und Projekten engagieren. Bis zu 10.000 Plätze pro Jahr stehen seitdem bundesweit für Einheimische beispielsweise in der Betreuung von Asylsuchenden und für Flüchtlinge zusätzlich zur Verfügung. Nach Angaben des Bundesamtes für Familie und Zivilgesellschaftliche Aufgaben haben bisher insgesamt 8.926 Freiwillige teilgenommen, unter ihnen 3.248 geflüchtete Menschen. Das Programm läuft bis Ende 2018.
In einem Modell-Projekt der Diakonie in Niedersachsen wird den Flüchtlingen zusätzlich ein deutscher Tandempartner zur Seite gestellt. Im ersten Jahrgang sind den Angaben zufolge landesweit drei Tandems in diakonischen Einrichtungen unter Vertrag gewesen. Da Abdulhadi seinen Dienst im Jugendzentrum um ein halbes Jahr verlängert hat, arbeitet er mittlerweile mit einem zweiten Tandempartner zusammen. "Basel ist ein guter Geselle", sagt der 16-jährige Niklas Storch über seinen Kollegen. Inzwischen sei er ein guter Freund. Über Abdulhadis Vergangenheit reden sie allerdings nur wenig. "Er versucht, seine Wunden zu heilen, da will ich ihn nicht die ganze Zeit darüber ausfragen", sagt Storch.
Der evangelische Pastor Thomas Ehgart als Geschäftsführer der Einrichtung bezeichnet Abdulhadi als ein "großes Geschenk". Eine große Stärke von ihm sei seine Kontaktfreudigkeit. "Der mag Menschen, geht einfach auf sie zu und dann klappt es ganz wunderbar."
Manchmal, wie kürzlich bei einem Besuch eines befreundeten Jugendzentrums im Grenzdurchgangslager Friedland, wird Abdulhadi unvermittelt mit seiner Vergangenheit konfrontiert. "Als ich 2015 in Friedland ankam, waren 3.000 Menschen dort, es war eine schreckliche Situation." Deshalb sei er mit seinen Erinnerungen erst mal allein zum Durchatmen vor die Tür gegangen. Die mitgereisten Jugendlichen hätten dies aber schnell bemerkt und seien ihm gefolgt, sagt Abdulhadi immer noch sichtlich gerührt. "Ich habe meine Eltern zwar nicht hier, aber diese Leute sind meine Familie: Sie kommen zu mir, wenn sie mich traurig sehen."
Charlotte Morgenthal (epd)