"Keine Massenware"
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Andacht zum 14. Sonntag nach Trinitatis
Mein Dienst im „Erlebnisraum Taufe“ in Wittenberg klingt noch nach. Nicht nur die Besucher*innen, auch wir Diensthabende haben dort Unterschiedliches erlebt. Oft denke ich an den älteren Herrn, der aus dem Filmraum kommend in Sekundenschnelle am Taufbecken (und mir) vorbei gehuscht war, dann aber zehn Minuten später überraschend durch den hinteren Eingang erneut eintrat. „Meine Frau hat gesagt, ich hätte das Beste verpasst, ein persönliches Wort und einen Segen am Taufbecken. Jetzt komme ich nochmal zurück. Das will ich doch nicht verpassen! “ erklärte er schmunzelnd. „Wie gut, dass die beiden darüber gesprochen haben, “ denke ich, Werbung für die Sache des Evangeliums können wir gebrauchen.
Am anderen Tag jedoch erleben wir einen Besucherandrang und in uns zuweilen ganz andere Reaktionen: schließlich wollen wir keine „Segensroboter“ werden (so hieß das umstrittene Angebot bei der Lichtkirche), die ohne persönlichen Kontakt die Botschaft verschleudern. Vermittlung eines heilsamen Rituals braucht Kraft und Aufmerksamkeit, sonst stellt sich Ermüdung ein.
Jesus weiß genau, warum er sich die Leute vom Leib halten will. Massenheilungen sieht er nicht als Ziel und Auftrag seiner Verkündigung an. Er ist froh über die Frage des Aussätzigen: „Willst du mich heilen?“ Der Bittsteller zeigt in dieser Frage ein tiefes Wissen: Nicht nur gesund werden, auch gesund machen erfordert den klaren Willen der Beteiligten. Die Handlung erfordert Aufmerksamkeit und Bereitschaft, sich der Beziehung zu öffnen.
Die Frage des Kranken eröffnet für Jesus grundsätzlich auch die Möglichkeit „Nein“ zu sagen und eigene Grenzen zu respektieren. Ein „Nein“ hat der Kranke vermutlich geradezu erwartet: schließlich war er als „kultisch unrein“ geltender Aussätziger sozialen Ausschluss und Berührungsängste gewohnt. Aufmerksam lese ich (V. 43), dass Jesus die kultische Grenze zwar überraschend durchbricht, andererseits aber den geheilten Menschen schnell wieder loswerden will. So, als bereue er, die körperliche Nähe zugelassen zu haben. In diesem Duktus bittet er ihn, die Verschwiegenheitsgrenze zu wahren und lediglich in der üblichen Weise im Tempel seinen Dank auszudrücken.
Das Schweigegebot wirkt jedoch wie eine paradoxe Intervention: sie bewirkt das Gegenteil, die Leute kommen in Scharen. Jesus kann den Ansturm nicht bewältigen und muss sich an einsame Orte zurückziehen. Das, was er am meisten befürchtete, ist eingetreten. Dieses und die weiteren Schweigegebote in den Evangelien geben Rätsel auf. Offenbar aber will Jesus nicht Heilung verschleudern, nicht von Schaulustigen neugierig bestaunt werden. Seine Messianität soll verstanden werden im Licht von Kreuz und Auferstehung. Billiger und einfacher ist es nicht zu haben. Schließlich liegt das Heil nicht auf der Straße. Oder?
Pastorin Bettina Rehbein