„Lebensqualität ist die Überschrift unserer Arbeit“
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"Roter Reiher"-Redaktion des Landeskirchenamts besucht Uhlhorn-Hospiz zum Jahresthema Ehrenamt
„Mir war vorher schon ein wenig schummerig“, sagte ein Redaktionsmitglied des Roten Reihers im Gespräch mit den Mitarbeiterinnen des Uhlhorn-Hospizes. „Wie werde ich die letzten Tage meines Lebens verbringen? Wo werde ich sein und wer wird sich um mich kümmern?“ – Gedanken auf dem Weg zum Hospiz. „Dann war ich sehr überrascht: viel Grün und Vogelgezwitscher draußen - helle Räume drinnen. Die Atmosphäre war freundlich und entspannt. Und das, obwohl es in einem Hospiz ja nur um das eine Thema geht: Sterben und Tod.“
Auch ein Hospiz kann auf Ehrenamtliche nicht verzichten. Die Rote-Reiher- Redaktion hat sich dazu mit Natascha Burfien, Renate Hüske und Anne Biebuyck getroffen. Als Hauptamtliche ist Natascha Burfien im Uhlhorn-Hospiz unter anderem für die Koordination der Ehrenamtlichen zuständig. „Die Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Wünschen stehen bei uns im Mittelpunkt. Wir begleiten sie würdevoll auf ihrem letzten Weg.“ sagt Burfien, die Sozialarbeiterin und Diakonin ist. Im Hospiz, so Burfien, gehe es ganz anders zu als in manchen Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Selbstverständlich gebe es im Haus eine umfangreiche Versorgung durch die Pflegekräfte. Das Besondere seien jedoch Musik- und Kunsttherapien, z.B. die Arbeit mit Klangschalen, Berührung, Farben und Düften und vor allem die Möglichkeit, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Die Küche könne (fast immer) auch auf ganz ausgefallene Wünsche eingehen. „Wir hatten eine Bewohnerin, die morgens gerne eine Tomaten-Tüten-suppe wollte – kein Problem für uns.“ Die große und einladende Wohnküche, in der die gemeinsamen Mahlzeiten stattfinden, ist sehr beliebt und der zentrale Ort der Begegnung und des Austausches, so Burfien. Wer aber eine schlechte Nacht hatte, könne selbstverständlich auch mal später frühstücken. Bei aller Flexibilität gibt es auch feste Regeln im Haus: Es gibt keine festen Besuchszeiten. Besucherinnen und Besucher müssen aber an der Tür klingeln. Die Mitarbeitenden des Hospizes wissen, ob die Bewohnerinnen und Bewohner überhaupt Besuch wünschen und wen sie sehen wollen. Manchmal müssen sie den Besuch auch darauf vorbereiten, dass sich der Zustand des Sterbenden verschlechtert hat oder gar die Todes- nachricht überbringen.
„Das Wertvollste, das wir den Bewohnerinnen und Bewohnern geben können, ist unsere Zeit“, sagen die beiden ehrenamtlichen Interviewpartnerinnen Renate Hüske, die im Uhlhorn-Hospiz mitarbeitet, und Anne Biebuyck, die seit zehn Jahren im Ambulanten Palliativ- und Hospizdienst der Diakoniestationen ihre Aufgabe hat. Es gäbe viele Wünsche, berichten sie, die die Hauptamtlichen nicht erfüllen könnten. „Viele sind schon sehr glücklich, wenn wir sie in den Garten fahren und sie - vielleicht zum letzten Mal - die Sonne oder auch den Regen auf ihrer Haut spüren können. Meistens sind es die kleinen Dinge, die ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wichtig ist es, mich selbst zurückzunehmen und zu hören und zu spüren, was mein Gegenüber will.“
Außerdem sei es ganz entscheidend, Zeit für die Angehörigen zu haben. Sie bräuchten das Gespräch, da sie sich genauso wie die Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Tod auseinandersetzen müssten. Dafür gebe es auch das monatliche Trauercafé, in dem sich die Angehörigen mit den ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitenden treten könnten.
Der Alltag im Hospiz bedeutet für die Ehrenamtlichen, dass sie in der Regel einmal wöchentlich für drei Stunden im Einsatz sind, meistens rund um die Mahlzeiten. „Zu Beginn jedes Dienstes erfahre ich bei der Übergabe durch die Hauptamtlichen, wer neu ist, worauf ich achten muss, zum Beispiel auf bestimmte Vorlieben, Angehörige, die uns besonders herausfordern, Stimmungen“, berichtet Renate Hüske, die vor Eintritt in die Altersteilzeit als Krankenschwester gearbeitet hat und seit dreieinhalb Jahren dabei ist. In der ambulanten Arbeit gibt es keine Dienstpläne, Besuche und Zeiten verabreden die Ehrenamtlichen individuell.
Nicht alle sind für den ehrenamtlichen Einsatz in einem Hospiz geeignet. Deshalb werden Interessierte vorab zu einem Gespräch eingeladen. Es gehe auch um die Motivation, so Burfien. Menschen etwa mit einem Helfersyndrom seien hier nicht unbedingt am richtigen Platz.
Ehrenamtliche Hospizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter brauchen eine einjährige Ausbildung. Im ambulanten Dienst verpflichten sie sich, danach für ein Jahr regelmäßig Dienst zu tun. „Anders als im Hospiz“, erwähnt Anne Biebuyck, „gehe ich direkt in das persönliche Umfeld der Menschen und begleite sie dort.“ Beide sagen übereinstimmend: „Wir Ehrenamtliche fühlen uns als vollwertiger Teil des Teams wahrgenommen.“ Dazu kämen begleitende Gespräche, kollegialer Austausch und regelmäßige Supervision, um das Erlebte zu reflektieren.
Wenn die große Kerze im Flur brennt, ist eine Bewohnerin oder ein Bewohner gestorben. Das ist eines der Rituale, die den Abschied begleiten. Die Mitarbeitenden sprechen von der Abschiedskultur ihres Hauses und des ambulanten Dienstes. Ort für Besinnung und Gedenken ist der Raum der Stille mit einer Werkbank, einem Buch mit den Namen der Verstorbenen und einem Kreuz, mit Blumen, Bildern, Fotos. „Für mich ist die Werkbank ein Altar, aber jede und jeder sieht darin etwas anderes. Grundsätzlich ist der Raum der Stille wie auch unser Haus für alle Religionen offen.“, sagt Natascha Burfien.
„Wir geben viel und bekommen noch mehr zurück“, sagen beide Ehrenamtliche über ihre Arbeit. Sie würden in ihrem Umfeld schon mal gefragt, ob sie ihre Zeit nicht auch anders verbringen wollten – mit tanzen oder anderen schönen Dingen. Aber so sagen sie beide: „Auf diese Tätigkeit würde ich nicht verzichten. Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“
Ob sich ihre eigene Einstellung zum Tod geändert habe, fragen wir. Anne Biebuyck antwortet, dass sie mit persönlicher Trauer jetzt zwar professioneller umgehen könne, die Trauer grundsätzlich die gleiche geblieben sei. Eine Trockenübung sei ihre Arbeit nicht. Aber sie sei nicht in Gefahr, den Tod zu verdrängen, wie das sonst oft in der Gesellschaft üblich sei.