Ältere Menschen aktiv
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Baugruppe der Kirchengemeinde aktiviert ältere Männer und hilft Baumittel einzusparen
Ältere Männer rackern für die Kirche und begeistern sich für Gemeindearbeit. Die „Baugruppe“ der evangelischen Kirchengemeinde Harpstedt besteht aus 10 Männern im Alter von 63 bis 81 Jahren, die sich alle vier bis sechs Wochen montagvormittags treffen und kleinere Reparaturen rund um Kirche und Gemeindehäusern machen. In dem Flecken südlich von Delmenhorst gibt es generell eine große Kultur der Ehrenamtlichkeit – gerade von älteren Menschen, die aktiv sein wollen.
Das Engagement der Baugruppenmänner hilft dem Bau-Etat der Kirchengemeinde erheblich. Und die örtlichen Handwerker sind auch nicht neidisch, denn dadurch hat der Kirchenvorstand genug Geld in der Hand, um auch mal größere Aufträge an sie zu vergeben. 2006 erhielt die Kirchengemeinde für das Engagement der Baugruppe, das sie zusammen mit anderen Männern für die Sanierung des Turmes der Christuskirche in Harpstedt an den Tag legte, den „Niedersachsenpreis für Bürgerengagement“ und den Fundraisingpreis der Landeskirche.
„Es ist gut, wenn Männer in der Kirche einen Einsatzort finden, der ihren Fähigkeiten und ihren Bedürfnissen entspricht“, sagt der Landespastor für Männerarbeit Henning Busse. „Männerarbeit geschieht eben nicht nur in den Gesprächskreisen der Kirchengemeinden, sondern genauso im konkreten Einsatz. Wenn man das Nützliche mit Freude und guter Gemeinschaft verbinden kann, sind Männer gerne dabei sich zu engagieren“, sagt der Landespastor für Männerarbeit im Haus kirchlicher Dienste Henning Busse.
Die Baugruppe entstand vor 16 Jahren als immer mehr Reparaturen zu bezahlen waren und vor allem die umfassende Renovierung der barocken Christuskirche im Flecken Harpstedt anstand. Vorbild der Gruppe ist die Harpstedter „Fördergemeinschaft Koems e.V.“. Seit 1984 kommt die im Volksmund liebevoll so genannten „Rentnerbänd“ zusammen. Um die 20 älteren Männer treffen sich jeden Donnerstagvormittag außer im Winter zu einem vierstündigen Einsatz auf dem „Koems-Gelände“, wo sie historischen Scheunen wieder aufgebaut und restauriert haben.
Das weibliche Pedant im Flecken ist das Blutspende-Team des Deutschen Roten Kreuzes. Fünfmal im Jahr sorgen seit 51 Jahren vorwiegend Frauen dafür, das rund 250 Blutspender vor der Entnahme die Daten aufgenommen und beim Spenden gut betreut werden. Weitere Damen aus dem insgesamt 60-köpfigen Team bereiten danach ein leckeres Essen für die Spender als Dankeschön vor, sodass die Profis vom Blutspendedienst aus Springe sich ganz auf ihre medizinischen Aufgaben konzentrieren können.
Die Baugruppe der evangelischen Kirchengemeinde erhielt immer wieder Unterstützung von der Koems-Truppe bei Großprojekten: Bei der Kirchenrenovierung hat man 2003 gemeinsam die fünf Farbschichten an den Innen-Wänden in 7 Wochen per Hand abgekratzt.
Im Frühjahr 2006 haben Koems-Truppe, die Baugruppe, weitere Freiwillige und Ein-Euro-Kräfte das schadhafte Mauerwerk des Kirchturmes in 1500 Stunden innerhalb von 8 Wochen in Ordnung gebracht, 12 Kilometer Fugen an drei Seiten ausgefräst und mit Muschelkalk neu verfugt.
010 bauten die Männer den Bibelgarten „Christus-Garten“ mit 8 Stationen rund um die Kirche – und viele Sponsoren begründeten ihr finanzielles Engagement mit der Anerkennung, die sie den Freiwilligen zollen wollten. Im Frühjahr 2012 haben beide Gruppen unter der ehrenamtliche Bauleitung von Kirchenvorsteher Klaus Corleis das Gelände rund um die Kapelle des kirchlichen Friedhofes in Harpstedt neu gestaltet. Sie haben die Erweiterungsfläche für das Gemeinschaftsgrabfeld und den neuen Friedgarten unter den Eichen hergerichtet, Zäune in Stand gesetzt und zahlreiche Bäume und Büsche, Stauden und Bodendecker gepflanzt, Brunnen neu verblendet und das Eingangstor neu gestaltet. Ehemalige Pflastersteine, die der Flecken Harpstedt spendete, haben sie mit viel Handarbeit als Wegbegrenzung verlegt und verfugt.
In diesem Frühjahr bekamen die Stühle in der Friedhofskapelle Halterungen für die Gesangbücher. Den Einsatz der Baugruppe plante der Tischlermeister Friedrich Free – in der Gruppe liebevoll „Chef“ genannt – genau, so dass die Aktion dann in einem Vormittag zu schaffen war: 130 Stühle wurden aus der Kapelle getragen, draußen wurden sie angebohrt und der letzte im Team setzte die neue Halterung ein, bevor der Stuhl wieder in die Kapelle geschafft wurde. Gern arbeitet die Baugruppe auch mit den örtlichen Handwerkern zusammen. So wurde in letzten Winter mit Hilfe eines Dachdeckers und seines Steigers eine große alte Kiefer auf dem Kirchhof gefällt. Alle verfügbaren Männer mussten am Seil ziehen, damit der Baum so fiel, dass keine umliegenden Pflanzen oder gar das alte Kriegerdenkmal auf dem Kirchhof zu Schaden kamen.
Wichtig bei den Einsätzen der Baugruppe, die in der Regel von 8.30 bis 12 Uhr arbeitet, ist das gemeinsame Frühstück um 10 Uhr. Einige ehrenamtliche Frühstücksdamen – und bei den großen Einsätzen zusätzlich auch Kirchenvorsteherinnen – bereiten es zu. Zu Beginn spricht die Pastorin ein Tischgebet. Als ein Pastor mal nicht dabei sein konnte, bestellte der „Chef“ der Baugruppe extra einen Lektor, der das Gebet anleitete. Tatsächlich ist vielen der Männer wichtig, dass sie die Arbeit bewusst für ihre Kirche tun. Die Kirchengemeinde bedankt sich mit einem gemütlichen Grillabend im Sommer, wo dann auch den Ehefrauen gezeigt wird, was ihre Männer geschafft haben.
Zu den Baueinsätzen trommelt Free seine Truppe immer per Telefon zusammen. In der Gruppe sind pensionierte Handwerker und andere praktisch orientierte Männer, die auch zu Hause das Meiste selbst reparieren und sogar ihr Werkzeug „zur Kirche“ mitbringen. Bei großen Konzertaufführungen bauen die Männer Podeste für den Chor auf und schleppen Stühle in die Kirche. Sie streichen die Holzbänke auf dem Kirchhof und bauen die Kinderschaukel im Pfarrgarten zum Sommer auf und im Herbst ab. Ein gelernter Mauerer verputzt schadhafte Stellen an Gebäudewänden. Für das Spielzeug der Mutter-Kind-Gruppen wurde ein Abstell-Raum hergerichtet und ein Einbauschrank für Bastelmaterial gebaut. Eine alte Diele hat sich die Baugruppe für ihre Arbeit ausgebaut mit Steckdosen und Deckenplatten.
Fritz Evers war 24 Jahre als Kirchenvorsteher aktiv; gefragt, warum er bis heute in der Baugruppe Schweiß vergießt und sich die Hände schmutzig macht, sagt: „ ... weil wir Spaß dabei haben. Es ist ja nicht fürs Geld und für das Leben. Es ist viel besser, wenn man abends nicht das Geld zählen muss“, so der Landwirt im (Un-)Ruhestand.
Gunnar Schulz-Achelis