Brot vom Himmel, Brot des Lebens
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Andacht zum siebten Sonntag nach Trinitatis
Brot vom Himmel, die Leichtigkeit des Seins, ein kleines bisschen Paradies – diese Sehnsucht kennen wir alle, auch gerade die Menschen, denen ich am Flughafen als Seelsorger begegne. Und fast jedem fällt dazu früher oder später der Refrain zu dem Lied von Reinhard Mey ein, das ich hier bewusst einmal in voller Länge abdrucken möchte:
Wind Nord/Ost Startbahn null drei,
Bis hier hör‘ ich die Motoren.
Wie ein Pfeil zieht sie vorbei,
Und es dröhnt in meinen Ohren,
Und der nasse Asphalt bebt.
Wie ein Schleier staubt der Regen,
Bis sie abhebt und sie schwebt
Der Sonne entgegen.
Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.
Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man,
Blieben darunter verborgen und dann
Würde, was uns groß und wichtig erscheint,
Plötzlich nichtig und klein.
Ich seh‘ ihr noch lange nach,
Seh‘ sie die Wolken erklimmen,
Bis die Lichter nach und nach
Ganz im Regengrau verschwimmen.
Meine Augen haben schon
Jenen winz‘gen Punkt verloren.
Nur von fern klingt monoton
Das Summen der Motoren.
Dann ist alles still, ich geh‘,
Regen durchdringt meine Jacke,
Irgend jemand kocht Kaffee
In der Luftaufsichtsbaracke.
In den Pfützen schwimmt Benzin,
Schillernd wie ein Regenbogen.
Wolken spiegeln sich darin.
Ich wär gern mitgeflogen.
Der Flughafen ist ein Sehnsuchtsort, selbst wenn man in der Pfütze steht. Er steht für das Zurücklassen von allem, was uns hier so oft quält und einengt. Jede startende Maschine ist wie ein Versprechen von Freiheit und Leichtigkeit. Das besingt Reinhard Mey im 2. Vers eindrücklich.
Er besingt diese Spannung zwischen der Freiheit, die wohl grenzenlos sein mag – ganz sicher ist er sich da auch nicht – und dem Regen, der die Jacken durchdringt. Grenzenlose Freiheit einerseits und triste Erdgebundenheit andererseits. Das ist auch unausgesprochen das Thema am Flughafen und unser Thema als Kirche. Vielleicht bin ich deshalb so fasziniert von dem Ort und den Menschen, die dort arbeiten, weil wir eigentlich das gleiche Thema bearbeiten.
Auch wir beschäftigen uns mit der Sehnsucht der Menschen nach Befreiung aus den oft tristen Bindungen an diese Welt. Auch unser Thema ist die grenzenlose, vollkommene Befreiung des Menschen, von der wir manchmal im Brustton der Überzeugung verkünden.
Ich bin etwas vorsichtiger geworden, vielleicht gerade am Flughafen. Mich haben solche Ereignisse wie der Absturz der Germanwingsmaschine geprägt. Ich formuliere auch Hoffnung, aber ich mache das tastender, weil ich das Gefühl habe, dass ich sonst das Leid der Trauernden nicht ernst nehmen würde. Ich will nicht, dass unsere christliche Hoffnung billig klingt. Ich will das Leid nicht übertönen.
Wenn ich Reinhard Meys Menschen im Regen eine Hoffnung aufzeigen wollte, die wirklich grenzenlos ist, müsste ich zuerst mit ihm in der Pfütze stehen, in der Benzin schwimmt. Dann aber möchte ich eine Freiheit formulieren, von der ich glaube, dass sie in der Tat grenzenlos ist und gerade in der schrillsten Absurdität und dem größten Leid der Menschen gilt. Christus ist das Brot vom Himmel und deshalb darf auch ich lebendig sein und satt werden.
Für mich ist es unverzichtbar wichtig diesen Markenkern, die Botschaft vom Lebendigen, am an sich kirchenfremden Ort zu leben und zu verkündigen. Die Angst und der Tod haben nie das letzte Wort. Auch die Flugangst nicht. Vielleicht gibt es sie nur deshalb, weil uns da oben die existentielle Fallhöhe so offensichtlich ist. Genau deshalb ist die Kraft der christlichen Botschaft am Flughafen aber auch so ausgeprägt. Der Kontrast schärft das Bewusstsein.
Amen.
Pastor Ulrich Krämer, Referent im EMSZ und Flughafen-Seelsorge Hannover-Langenhagen