Startseite Archiv Tagesthema vom 28. Juni 2017

Wie Paula zu Paula wird

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Der Kunstsommer in Worpswede widmet sich dem Frühwerk von Modersohn-Becker

Im Frühjahr legte die Kunsthalle im Ort mit einer Ausstellung zu "Paulas Welt" schon mal vor. Nun ist der Kunstsommer in Worpswede richtig durchgestartet: Große Kunstschau und Barkenhoff haben ihre Doppelausstellung unter dem Titel "Paulas Worpswede" eröffnet. Damit setzt das Dorf in der Nähe von Bremen einmal mehr ganz auf die berühmteste Malerin der Künstlerkolonie, die wie kaum eine andere Frau den deutschen Expressionismus geprägt hat. Jetzt liegt der Fokus auf ihrem Frühwerk. "Wir zeigen, wie Paula zu Paula wird", sagt Kunstschau-Kuratorin Katharina Groth.

Schon jetzt zählen die Museen des Künstlerdorfes im Jahr des 110. Todestages von Paula Modersohn-Becker (1876-1907) mehr Besucher. Ein wichtiger Grund dafür ist der Kinofilm "Mein Leben soll ein Fest sein", der im Dezember in die Lichtspielhäuser kam. In Worpswede wurde die Produktion mit der Schweizerin Carla Juri in der Hauptrolle zwar durchaus zwiespältig aufgenommen. Auch, weil sie die kantige Künstlerin manchmal allzu lieblich erscheinen lässt. Doch ohne Zweifel kommen nun noch mehr Gäste an den Rand des Teufelsmoores, um Spuren von Paula und ihrem Worpswede zu suchen.

Auf diesem Weg erschließt die Sommerausstellung einen reichhaltigen Fundus. Sie beleuchtet Frühwerk und Leben der Malerin im Zusammenspiel mit ihren Künstlerkollegen. So erläutert Kuratorin Groth in sechs Kunstschau-Räumen die Bedeutung Worpswedes für die erst nach ihrem Tod berühmt gewordene Künstlerin. "Tief beeindruckt von der Worpsweder Landschaft mit leuchtenden Birken, geheimnisvollem Licht und dem einfachen bäuerlichen Leben geriet die junge Malerin in einen Schaffensrausch", sagt Groth.

Bronze-Büste von Paula Modersohn-Becker, 1899, geschaffen von Clara Rilke-Westhoff. Bild: Alasdair Jardine/ epd-Bild

Und was für ein Rausch. Nach Paulas Tod am 20. November 1907 fanden ihre engsten Freunde mehr als 750 Gemälde, zahlreiche Zeichnungen und einige Radierungen in ihrem Atelier. Schon 1897 beschrieb Paula in ihrem Tagebuch, wie der Ort sie gepackt hatte: "Worpswede, Worpswede, Worpswede! Versunkene-Glocke-Stimmung! Birken, Birken, Kiefern und alte Weiden. Schönes braunes Moor, köstliches Braun! Die Kanäle mit den schwarzen Spiegelungen, asphaltschwarz. Die Hamme mit ihren dunklen Segeln, es ist ein Wunderland, ein Götterland."

Folgerichtig hat Groth ihren Teil der Ausstellung mit Paulas euphorischem "Es ist ein Wunderland" überschrieben. Stilbildendes Motiv hier ist Paulas "Sitzendes Mädchen mit Schafen am Weiher", das um 1903 entstand. Groth kombiniert Paula-Arbeiten mit Werken von Zeitgenossen wie Hans am Ende, Fritz Overbeck, Otto Modersohn und Fritz Mackensen. Besucher können so nachvollziehen, wie sie sich untereinander beeinflusst haben, aber auch, wo sie künstlerisch eigene Wege gegangen sind. An den Wänden hängen typische Worpsweder Motive: Der weite Himmel über der Ebene, das Moor, Dorfszenen, Porträts von Dorfbewohnern, Birken.

Im Barkenhoff wirft Kuratorin Beate Arnold in ebenfalls sechs Abteilungen ein noch persönlicheres Schlaglicht auf die Gründungsgruppe der Künstlerkolonie, die hier ein- und ausgegangen sind. Unter dem Rilke-Zitat "Eigentlich ist das ein Märchen" beschäftigt sich das Haus mit den menschlichen und künstlerischen Verbindungen untereinander. 

Unter dem Titel "Paulas Worpswede" zeigt die zweiteilige Schau "wie Paula zu Paula wird". Bild: Alasdair Jardine/ epd-Bild

Arnolds Leitmotiv ist das verträumte "Schwanenmärchen", das Heinrich Vogeler um 1899 gemalt hat. Überhaupt sind es in der Mehrzahl Radierungen, Öl-Gemälde und Zeichnungen des Barkenhoff-Gründers Vogeler, die dem Besucher Hinweise auf Beziehungen und Themen innerhalb der Worpsweder Künstler-Familie geben sollen.

Wer dann noch mehr wissen will, sollte sich auf den Weg nach Bremen machen. Dort zeigt das Paula-Modersohn-Becker-Museum zeitgleich 35 zentrale Arbeiten aus dem Spätwerk der Malerin, von denen viele aus der Sammlung des Wuppertaler Bankiers August von der Heydt stammen. So machen Worpswede und Bremen im Doppelpack einmal mehr deutlich: Die Legende Paula Modersohn-Becker lebt. Mindestens in der Kunst.

Dieter Sell (epd)
Die Ausstellung mit mehr als 100 Exponaten läuft bis zum 05. November. Bild: Alasdair Jardine/ epd-Bild

Kontrovers diskutiert, aber durchaus ein Grund für den gesteigerten Bekanntheitsgrad von Worpswede und seiner Künstlerin Paula Modersohn-Becker: Der im letzten Winter in die Kinos gekommene Film über Paulas Leben.

Erleben

"Paulas Worpswede" vom 25. Juni bis 5. November in der Großen Kunstschau und im Barkenhoff Worpswede. Kunstschau und Barkenhoff geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr. Die Ausstellung "Sammler der ersten Stunde. August von der Heydt entdeckt Paula Modersohn-Becker" läuft bis zum 10. September im Bremer Paula-Modersohn-Becker-Museum. Geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr. "Paulas Welt" ist ebenfalls noch bis zum 10. September in der Worpsweder Kunsthalle zu sehen, geöffnet dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr.

epd
Bild: Alasdair Jardine/ epd-Bild

Mehr Kunst im Sommer

Ihren modernen Totentanz präsentiert Künstlerin Lisa Huber in der Zeit vom 2. Juli bis 1. November in der Bursfelder Klosterkirche. Auf der Höhe des Jahres möchte das Geistliche Zentrum Kloster Bursfelde zur Auseinandersetzung mit dem Tod und der Botschaft der Auferstehung anregen.

„Der Totentanz stößt an, sich mit dem häufig verdrängten Tod auseinanderzusetzen. Zugleich fordern die vier Bildtafeln heraus, einen neuen Zugang zur zentralen Botschaft christlichen Glaubens zu finden, der Überwindung des Todes in Christus“, sagt Pastor Klaus Dettke, Leiter des Geistlichen Zentrums. 

Martin Luther drehe unsere Lebenserfahrung um: „Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen“. „Kehr´s auch um“, sage der Reformator. „Mitten in dem Tode sind wir vom Leben umfangen“, so der Referent im Haus kirchlicher Dienste, zu dem das Geistliche Zentrum gehört, weiter.

Lisa Huber greift traditionelle Motive aus der Kunst des Mittelalters in großer Freiheit auf. Sie nimmt christliche Symbole und Gesten hinzu, die Hoffnung wecken, dass es mehr gibt als unsere Vergänglichkeit. Die vierteilige Serie „Totentanz“, rostrot getönte Holzschnitte 2,60 Meter hoch und 5,60 Meter breit, entstand 1996 und 1997 in unmittelbarer Reaktion auf den Tod ihres Vaters. „Es soll dem Tod das Grausame genommen werden, er ist nicht das Endgültige. Ich setze auf die Hoffnung“, schreibt Lisa Huber auf ihrer Homepage www.lisa-huber.de

HkD
Ein Motiv aus dem Totentanz von Lisa Huber ist überschrieben:„Der Tod trägt ein Hemd aus Feuer und Maden.“ Bild: Privat