Schlosskapelle als Fata Morgana
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Reformationsausstellung führt per Computer-Animation in den sonst nicht zugänglichen Celler Kirchenraum
Sie ist eine empfindliche Schönheit. Die im 16. Jahrhundert im Geiste Martin Luthers neu gestaltete Schlosskapelle in Celle gilt als einmaliges Zeugnis der Kirchenkunst aus frühprotestantischer Zeit. Weil die Atemluft der einst vielen Gäste das Raumklima verändert und damit Malereien und Reliefs gefährdet hatte, ist der Blick in das Kleinod im Residenzschloss seit mehr als 20 Jahren nur durch eine Glasscheibe möglich. Bei einer Ausstellung zum 500. Reformationsjubiläum soll sich das ab dem 14. Mai ändern. Besucher können dann die Kapelle wieder durchstreifen - wenn auch nur mit einer virtual-reality-Brille auf der Nase.
Mit Computertechnik, wie sie auch Szenenbildner in Hollywood benutzen, haben Mediendesigner der Hochschule Hannover die Kapelle virtuell nachgebaut. Mit einem 3D-Laserscanner haben sie in mühevoller Kleinarbeit Distanzen im Raum gemessen und aufgezeichnet, erläutert Hochschulprofessor Markus Fischmann. In weiteren Schritten haben Experten für virtuelle Museen Flächen errechnet, Oberflächeneigenschaften etwa von Holz oder Sitzpolstern aus Stoff zugeordnet und die Animation mit Fotos der Kapelle unterlegt. "Wer sich eine Datenbrille aufsetzt, kann sich sogar durch den Raum bewegen", sagt Fischmann. "Wie durch eine Fata Morgana."
Für die Ausstellung im Residenzmuseum haben die Experten gemeinsam mit Museumsleiterin Juliane Schmieglitz-Otten zwei Kurzfilme zusammengestellt. Auch sie vermitteln dem Besucher durch den dreidimensionalen Effekt die Illusion, an die Besonderheiten der Kapelle herantreten zu können. Zudem lenken hinterleuchtete Bildwände den Blick - zum Beispiel auf den "Herrschaftsstand". Zwischen 1565 und 1576 ließ Herzog Wilhelm der Jüngere zu Braunschweig-Lüneburg die Kapelle in dem welfischen Residenzschloss neu gestalten und reich ausmalen. "Von seiner herrschaftlichen Empore blickte er auf den Prediger hinab", erläutert Schmieglitz-Otten.
Mit der Reformation kam dem Fürsten neue Macht zu. Zugleich ist der Herzogssitz zur Kanzel ausgerichtet, denn nach lutherischer Lehre hat die Auslegung der Bibel durch den Prediger einen besonderen Stellenwert. Auf gerade mal neun mal 14 Metern Grundfläche gibt die Kapelle einen Eindruck davon, wie sich die Lehren Martin Luthers (1483-1546) in der Ausstattung eines Kirchenraumes niederschlugen. "In ihrer Vielfalt ist sie einmalig in Deutschland", sagt die Museumsleiterin.
"Der Herzog war auch ein frommer Mann, der sich mit dem erneuerten Glauben auseinandergesetzt hat", erläutert sie. In den Gemälden von bedeutenden Künstlern der Zeit sind unter anderem Werke der Barmherzigkeit abgebildet. Immer ist dabei auch der Herzog dargestellt, der etwa Hungrigen das Brot bringt oder Menschen die Bibel vorliest. "Er hat sich selber in dieser vorbildlichen Rolle gesehen."
In der Kapelle hat Wilhelm die Erkenntnisse ins Bild gesetzt, die schon sein Vater Herzog Ernst zu Braunschweig-Lüneburg (1497-1546) aus Wittenberg mitgebracht hatte. Der wegen seiner Begeisterung für Luthers Lehren später auch "der Bekenner" genannte Ernst war ein Wegbereiter der Reformation in Norddeutschland. Bereits 1524 setzte er sie in der Residenzstadt Celle, 1527 dann in seinem Fürstentum Lüneburg durch. Vor wenigen Monaten wurde Celle auch deshalb mit dem Titel "Reformationsstadt Europas" ausgezeichnet.
Zwischen dem 14. Mai und dem 13. November richten mit der Ausstellung "Zeichen setzen - 500 Jahre Reformation" neben dem Residenzmuseum auch das Bomann-Museum und die Celler Stadtkirche den Blick auf Vergangenheit und Gegenwart. Im Oktober wird dabei der hannoversche Landesbischof Ralf Meister in der Schlosskapelle einen Gottesdienst halten - allerdings nur kurz. Noch vor der Predigt wechseln der Bischof und die etwa 40 Besucher dann in die Stadtkirche, wo mehr Menschen Platz finden, sagt Kirchensprecher Uwe Schmidt-Seffers. "Wir hoffen noch immer auf Wege, die Kapelle öfter für Gottesdienste nutzen zu können." Doch die Denkmalschützer seien sehr vorsichtig. "Die Anforderungen, was die Luftfeuchtigkeit betrifft, übersteigen die für den Louvre bei weitem."
In einer Testphase sollen während der Ausstellung die Gäste auch abseits der Führungen den verglasten Vorraum der Kapelle betreten dürfen - durch eine Klimaschleuse. Zugleich soll die Auswirkung auf das Raumklima weiter erforscht werden, erläutert Schmieglitz-Otten. Denkmalschützer und Restauratoren suchen nach Wegen, es zu stabilisieren. "Aber der Prozess ist noch offen."