Hirten
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Andacht zum Sonntag Misericordias Domini
Da haut der alte Ezechiel in eine so sattsam bekannte Kerbe, als lebte er in unseren Tagen und nicht etwas vor 2500 Jahren.
Allerdings finde ich das keineswegs beruhigend oder von der Art, dass ich gleich wieder zur normalen Tagesordnung übergehen möchte. Ändert sich denn nie etwas am menschlichen Verhalten?
Und wir haben es ja auch noch schwarz auf weiß: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Nein, nicht nur in Afrika oder Südamerika, sondern hier bei uns.
Es macht sich auch nicht allein Besitz bemerkbar. Wer genug Geld und/oder Einfluss hat, kann sich bessere Ärzte, bessere Rechtsanwälte und vorteilhafte politische Beziehungen leisten.
Gerecht ist das überhaupt nicht. Aber wer will schon schuld sein an solchen Entwicklungen? Betreibt wohl jemand ernsthaft das Abschaffen von Vorzügen, wenn es persönliche Vorteile bringt?
Es scheint mir darum wenig verwunderlich, dass zur Zeit demokratische Tugenden einen schlechten Kurs haben. Zu viele picken sich in den bestehenden Systemen die Rosinen heraus, und man kommt ihnen nicht bei. Längst gibt es die Rede von einer „politischen Kaste“, die sich selbst erhält, gut für sich sorgt und die Hürden für andere so hoch wie möglich setzt.
„Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen“ - der Satz des Römers Plautus (um 200 v. Chr.) scheint da naheliegend. Aber höchst ungerecht dem Wolf gegenüber – denn da gibt es zwar das Leittier im Rudel. Doch der Leitwolf sorgt so für das Rudel, wie es Ezechiel als Forderung beschreibt für menschliche Leitfiguren.
Aber dass ich nun mit dem Finger auf andere zeige, ist keine gute Idee, nicht erst seit Heinemanns bekanntem Wort, dass dann ja drei Finger Hand auf mich selbst zurückweisen.
Denn natürlich trage auch ich Verantwortung für andere - gut, die eine mehr, der andere weniger. Aber es liegt eben auch an mir, ob das Leben anderer – nahe stehender wie ferner Menschen – gelingt. Ich bin also auch Hirtin oder Hirte und muss mich fragen, ob ich den Maßstab Gottes ernst nehme: nämlich ein Freund des Lebens zu sein.
Aber heißt das, dass wir auf den großen Durchbruch weiter warten müssen?
Nun ja - Ezechiels Ansage und Jesu Botschaft liegen immerhin auf der gleichen Linie. Dennoch, vom „Paradies auf der Erde“ war nie die Rede! Schließlich bleiben auch Kranke, um die man sich kümmert, trotzdem krank.
Aber ich möchte mir diese Welt nicht vorstellen ohne Jesu Ruf in die Nachfolge von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit! Vielleicht wünsche ich mir manchmal Gott als den Diktator des Guten, der sich einfach durchsetzt. Aber wie? Dann auch mit Gewalt? Oder mit der Wohlfühldroge für alle?
Ich weiß immerhin, wie es sein sollte und könnte. Da bin ich von Gott unterstützt und getragen.
Pastor Winfried Gringmuth