"Wenn ich beleidigt werde, stehe ich erst recht auf"
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Die muslimische Soldatin Nariman Reinke engagiert sich für eine offene Gesellschaft
Mit Schubladen-Denken kann Nariman Reinke nichts anfangen. Vielleicht, weil für sie selbst schon viele geöffnet wurden: Frau, Muslima, Soldatin. Die 37-jährige Hannoveranerin ist Vorsitzende des Vereins "Deutscher.Soldat". Die Mitglieder mit und ohne Migrationshintergrund wollen, dass Vielfalt als normal wahrgenommen wird. "Eine Gesellschaft, in der jeder sagen kann 'Ich bin deutsch', der sich deutsch fühlt", erläutert Reinke.
Sie ist seit zwölf Jahren Soldatin, bei "Deutscher.Soldat" engagiert sie sich seit 2012. Mit Spendenaktionen oder Diskussionsabenden tritt der Verein für Integration ein - und wird von der Politik gehört: "Im Februar durfte ich den Bundespräsidenten mitwählen", erzählt die Vorsitzende.
Doch es bleibt noch viel zu tun. "Es gibt in Deutschland latenten Rassismus, und er wird leider stärker", betont die gläubige Muslima. Reinke ist in Deutschland geboren, ihre Eltern kamen vor mehr als 50 Jahren als sogenannte Gastarbeiter aus Marokko. Es ärgert sie, wenn jemand ihr gutes Deutsch lobt oder fragt, woher sie kommt. "Wir leben im Jahr 2017, dieses Schubladen-Denken ist überholt." Deutschland sei ihre Heimat, nach Marokko fahre sie höchstens einmal im Jahrzehnt. Zweimal war die Soldatin in Afghanistan. "Was soll jemand denn noch tun, als sein Leben für sein Land zu riskieren?"
Reinke, die in Hannovers multikulturellem Stadtteil Linden aufwuchs, hatte schon als Kind Freundinnen aus aller Welt. Die erste Erfahrung, die sie bewusst mit Rassismus zusammenbringt, machte sie mit 15 Jahren. Ein Mitschüler wollte sich auf ihren Stuhl setzen, sie ließ ihn nicht. Da sagte er: "Meine Eltern haben recht, ihr Ausländer nehmt uns alles weg" - und brach ihr mit einem Schlag ins Gesicht die Nase. Die attraktive Mittdreißigerin erzählt das ruhig und ohne Frust. Statt sich aufzuregen, wird sie lieber aktiv. Neben der Arbeit für "Deutscher.Soldat" sitzt sie in der niedersächsischen Landtagskommission für Migration und Teilhabe.
Im Januar 2016 wehrte Reinke sich auf Facebook gegen Rassismus. Das war kurz nach den Kölner Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht, an denen auch Marokkaner beteiligt waren. Immer wieder wurde sie darauf angesprochen. "Ich musste mich für Verbrecher rechtfertigen, obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin", ärgert sich die sportliche junge Frau.
In ihrem Facebook-Post verurteilte Reinke diese Verallgemeinerungen und sprach sich dafür aus, an der Willkommenskultur für Geflüchtete festzuhalten. Dafür bekam sie viel Zuspruch und Aufmerksamkeit. Aber auch Hassmails. Anfangs habe sie das getroffen, gibt sie zu. Mittlerweile diene es als Motivation: "Wenn ich beleidigt werde, stehe ich erst recht auf und kämpfe."
Auf die Idee, zur Bundeswehr zu gehen, brachte sie der Kriegsfilm "Pearl Harbour". Wie die Amerikaner ihre Soldaten ehren, beeindruckte die damals 23-jährige Bürokauffrau. Auch ihr Vater inspirierte sie. Er hätte gern einen seiner Söhne beim Bund gesehen. Bei der Tochter war er anfangs skeptisch: "Drei Wochen, länger gebe ich dir nicht", unkte er. Reinke sollte länger durchhalten, auch wenn sie anfangs einiges irritierte. Angeschrien zu werden beispielsweise. Laute, rülpsende Männer. Oder Witze über Frauen. "Heute lache ich auch einfach mal mit", schmunzelt die verheiratete Frau.
Als sie im Januar 2005 bei der Bundeswehr anfing, gab es dort weder viele Frauen noch viele Muslime, erzählt die Offiziersanwärterin. "Es gab immer Probleme mit dem Essen." Wer kein Schweinefleisch essen wollte, musste manchmal die Frikadelle weglassen und sich mit einem trockenen Brötchen begnügen. Aktuell gibt es nach Schätzungen des Verteidigungsministeriums etwa 1.600 Soldaten mit muslimischen Wurzeln. Insgesamt gehören der Bundeswehr rund 178.000 Soldaten an, davon rund 20.000 Frauen. Auch die Kantine bietet mittlerweile verschiedene Menüs an.
Etwas aber fehlt bis heute, bemängelt die Soldatin: "Dass es keine muslimischen Seelsorger gibt, ist unmöglich." Es sei beispielsweise nicht geregelt, was im Falle ihres Todes passieren soll. "Als ich nach Afghanistan gegangen bin, musste ich selbst eine 'Bedienungsanleitung' dafür schreiben." Reinke wünscht sich, dass der Islam staatlich mit dem Christentum gleichgestellt wird. "Die nächste Generation würde selbstverständlich damit aufwachsen."