Nach Gott fragen
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Andacht zum Karfreitag
Jetzt ist es so weit: „Junge Politiker wollen gegen Karfreitag antanzen“, lese ich als Schlagzeile in der Zeitung. Das ist es doch. Gegen Karfreitag antanzen. Keine Opfer mehr. Keine Ausgrenzung. Scham, Verachtung und Spott vorbei. Keine Hinrichtung Unschuldiger.
Verantwortliche brauchen ihre Hände nicht in Unschuld zu waschen, weil sie keine Schuld mehr haben. Mütter müssen nicht um ihre getöteten Kinder trauern, weil diese leben. Kein hilfloses Geschachere in Sicherheitsräten mehr. Keine Attentate auf Straßen und in Kirchen und Moscheen.
Mit Groove gegen Gewalt. Mit Takt gegen Tod. Friedliche Revolutionen überall. Lamm und Löwe beieinander. Eine neue Welt. Meine Phantasie scheint grenzenlos. Wo ist das noch mal?
„Junge Politiker wollen gegen Tanzverbot an Karfreitag antanzen“ lese ich nun genauer. Ach das. Enttäuscht überfliege ich die nächsten Zeilen. Einen Staat ohne religiöse Bevormundungen fordern sie. Das eigene Recht, die eigene Individualität und das eigene Bedürfnis sollen durch nichts eingeschränkt werden.
Erstaunt frage ich, warum die Bevormundung durch den eigenen Narziss nicht auf den Prüfstand kommt. Kann man Religion wie eine Schlafzimmereinrichtung in die Zone privater Geschmacksverirrung verbannen? Ist ein säkularisierter Staat nicht gefährdet, selbst zur Religion zu werden?
Karfreitag ist die große Szenerie der gottlosen und gottverlassenen Menschen. Karfreitag erzählt von der Hinrichtung eines unschuldigen Menschen, von Besatzung und Staatsmacht, von Verrat, Volksmengen und verlorenem Vertrauen.
Noch mehr erzählt Karfreitag etwas über den Mechanismus des Bösen und die Spirale von Gewalt. „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, bittet Jesus Gott für die, die sich im Recht wähnen. Und das sind fast alle.
An der Passionsgeschichte und an Karfreitag ist etwas für uns zu entdecken. Ich halte viel von Freiheit und wenig von Bevormundung. Eben deshalb finde ich es gut, dass Karfreitag als stiller Tag öffentlich irritiert.
Weil er daran erinnert, dass Freiheit Aufklärung und Erkenntnis braucht. Weil er hilft, sich zu verständigen über die Würde des Menschen. Weil er nach Gott und deshalb nach dem Menschen fragt, nach Barmherzigkeit und nach der Hoffnung.
Birgit Klostermeier, Landessuperintendentin für den Sprengel Osnabrück