Startseite Archiv Tagesthema vom 11. März 2017

Fakten und Zeichen

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Andacht zum Sonntag Reminiszere

Ein Stück Gewebe wird entnommen, wandert ins Labor und ein paar Tage später kommt das Ergebnis. Ein ganz normaler Vorgang. Aber es ist nicht normal. Die Tage des Wartens sind schlimm. Es hängt zu viel davon ab.

"Gutartig", sagt der Arzt. Auch nicht einfach eine Nachricht, sondern viel mehr. Manches bedeutet eben mehr als nur die Tatsache selbst. Es wird zum Zeichen für etwas Dahinterliegendes. Bewahrtwerden? Behütetsein? Die einen sagen: "Glück gehabt". Ein anderer erzählt: "Mir ist aufgegangen, dass ich hier wohl noch etwas zu tun habe. Als sagte mir jemand, du bist noch nicht fertig. Ich habe angefangen danach zu suchen, was das sein könnte."

Es ist nicht so, dass das Leben arm wäre an Zeichen. Es kann nur ein Augenaufschlag sein, in dem jemand sein ganzes Glück erblickt. Die kleinste Geste wendet das Leben um. Aber wir deuten die Dinge verschieden. Und so unrecht haben auch die Pharisäer und Schriftgelehrten, wenn sie sich nicht in trügerischen Ahnungen verrennen wollen. Was zählt, sind Fakten. Mit Recht darf und will man sich von nichts Postfaktischem leiten lassen.

Bild: Norman Klaß

Aber ein Faktum selbst bewirkt noch nichts. Es kommt darauf an, welche Bedeutung wir ihm geben. Dann wird es zum Zeichen, fordert uns heraus und wird zum Leitstern. Unsere Zeichen sind wie die des Jona. Ins Meer geworfen. Vom Ungeheuer gefressen. Drei Tage wie verloren und dann doch ins Leben zurück geworfen. Ebenso das Zeichen Jesu. Den Verbrechertod gestorben. Ins Grab gelegt und dem Vergessen überantwortet. Aber manche sehen ihn wieder im Leben. Sie sehen fortan ihr Leben unter dem Zeichen seiner Hingabe und nehmen dies als Wegweiser.

Fakten, die für sich sprechen? Eher wohl solche, die für manche zum Zeichen werden und auf Dahinterliegendes verweisen. In Ninive wird das Zeichen des Jona zur Kraft für eine Umkehr. Wovon wir uns leiten lassen, lässt uns die weitesten Wege gehen, wie es von der Königin des Südens gesagt wird.

Gott gibt sich selbst zu einem weltbewegenden Zeichen. Beobachtet wurde zuerst von Sterndeutern das Faktum einer besonderen Planetenkonstellation. Aber aufgebrochen sind sie, weil es ihnen zum Zeichen wurde. Gefunden haben sie Gott in der Niedrigkeit der Menschen. Eine staunenswerte Bedeutungsfülle, wo doch für Fakten-Augen einfach nur ein Kind geboren wurde. Wir bedenken und bewegen in diesen Tagen der Passion, wie tief Gott gekommen ist, welchen Weg er zu gehen bereit war und welche Distanzen er überbrückt hat. 

Was wird dieses Zeichen weiter freisetzen? Welche neue Richtung lässt es Sie und mich einschlagen und welche Distanzen werden wir unter diesem Zeichen bewältigen? Befreiende Aussichten tun sich darin auf und überragende Ideen machen sich daran fest. Für mich ist es die Liebe zum Leben, die mir genauso gilt wie jedem anderen. Das gütige Dabeisein Gottes in allem, was sich ereignet. Der Wert, der auch dem kleinsten zugemessen ist. Die Vorsicht und Rücksicht, die allem zukommt. Unter diesem Zeichen haben auch die weitesten Wege und entferntesten Ziele eine Aussicht.

Nur ein Laborbefund, nur ein Augenaufschlag, nur ein Himmelsbeobachtung? Manchmal steckt mehr darin als das bloße Faktum. Das nüchterne Geschehen wird zum lebensverändernden Zeichen. Für Christen ist es so mit dem Kreuz. Als Faktum steht es für den Tod. Uns ist es ein Zeichen zum Leben.

Henning Busse, Landespastor für Männerarbeit im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
Bild: Norman Klaß

Der Bibeltext

Da antworteten ihm einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein. Die Leute von Ninive w​erden auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Die Königin vom Süden wird auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Mt. 12, 38-42

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Bild: Wiebke Ostermeier/lichtemomente.net

Der Autor

Pastor Henning Busse