Ein Telefonat zu Corona...mit Pastor Christian Bode
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Moin, Herr Bode. Wo erreiche ich Sie denn gerade?
Ich arbeite im Home Office, in diesem Moment spiele ich mit meinem anderthalbjährigen Sohn. Meine zehnjährige Tochter und mein achtjähriger Sohn sitzen gerade an ihren Schreibtischen und machen improvisierten Schulunterricht. Wenn Sie die Geräuschkulisse nicht stört, können wir gern reden.
Kein Problem. Also: Es gibt aktuell keine Gottesdienste, keine Treffen und Gruppen in Ihrer Gemeinde. Wie kann ich mir den Alltag in St. Thomas vorstellen?
Aus dem Gemeindeleben schöpfen hier viele Menschen Kraft - doch gerade jetzt, wo viele Ängste auszustehen sind, geht es nicht so weiter wie sonst. Ich glaube, jede*r richtet sich persönlich gerade erst darauf ein und merkt, wie ernst die Lage ist. Wir sind ganz am Anfang, es liegt noch viel Wegstrecke vor uns. Rund um das Osterfest wird das sicher noch sichtbarer. Das gut zu begleiten und als Pastor ein offenes Ohr für Anliegen und Sorgen zu haben ist mir aktuell ganz besonders wichtig. Gleichzeitig finden wir nun auch Zeit für lange aufgeschobene Projekte: Das Behinderten-WC unserer Gemeinde soll endlich wirklich behinderten- und familiengerecht werden. Einen störenden Schrank haben wir am Freitag schon ausgebaut, die VR-Bank Südniedersachsen hat schon die Kostenübernahme für einen lang ersehnten Wickeltisch zugesagt. Das ist nur ein Beispiel, auch wenn es so viel weniger wichtig ist.
Sie posten jetzt täglich auf Instagram und Facebook Fotos zur Tageslosung - was versprechen Sie sich davon?
Die Idee kenne ich von meiner Arbeit als Seelsorger bei den Paralympics. Da haben wir täglich über Social Media einen Impuls geschickt - als Motto für den Tag, als Begleiter. Menschen können sich ortsunabhängig daran erfreuen, darüber nachdenken und den Gedanken in unterschiedliche Situationen im Alltag mitnehmen. Ein Bibelwort mit einem schönen Bild, das gibt vielleicht Hoffnung und Zuversicht in dieser schwierigen Situation. Auf jeden Fall steigen die Nutzerzahlen täglich, ich verschicke Wort und Bild auch per Email oder per MMS.
Am Mittwoch haben Sie ihren ersten Gottesdienst auf Facebook gestreamt. Was nehmen Sie mit aus dieser Erfahrung?
Wir waren sehr aufgeregt, weil das absolutes Neuland ist - gerade auch technisch. Es hat uns sehr ermutigt, dass es so schnell möglich war, diesen neuen Kanal zu erobern. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Da ist ordentlich was in Bewegung. Wir wollen weitermachen - etwa mit Musik, mehr Aktion, einem Mikrofon am Altar und mehr Kameraperspektiven. Bei uns ist es an Karfreitag etwa Tradition, während der Evangeliumslesung den Altar leerzuräumen. So etwas im Video zu zeigen, obwohl niemand im Raum sitzt, das kann ich mir gut vorstellen.
Digitale Angebote sind toll - wie kann es gelingen, auch die zu erreichen, die nicht online sind?
Ich denke, eine verlässliche telefonische Erreichbarkeit steht an erster Stelle - einfach für jede*n da zu sein. Wenn es nötig und gewünscht ist, mache ich unter Einhaltung aller Schutzvorschriften auch Besuche. Denn nicht alle Anliegen und Sorgen lassen sich am Telefon besprechen. Wir werden weiterhin wöchentlich Hausandachten veröffentlichen und anbieten, sie auch ausgedruckt in Briefkästen zu verteilen. Es tun sich aber auch andere, neue Wege auf: Die Lokalzeitung hat uns angeboten, als Kirche täglich einen Artikel zu platzieren. Daran beteiligen sich alle Pastor*innen im Kirchenkreis. Und unter dem Schaukasten an der Lutherkirche in der Innenstadt ist eine Wäscheleine gespannt mit Gebetstexten, die man mitnehmen kann. Dazu gibt es das Angebot, eine Nachricht zu hinterlassen. Dann zündet jemand stellvertretend für diese Person eine Kerze in der momentan geschlossenen Kirche an.
Was macht Ihnen trotz der Herausforderungen Mut?
Es freut mich enorm, wie Menschen mit Lust und Interesse kreative Ideen entwicklen und sich einbringen wollen. Und dass sich nicht nur Anrufer mit Ängsten und Sorgen melden, sondern auch solche, die etwa Einkäufe für andere machen wollen. Ich denke, wir brauchen jetzt weder übertriebenen Optimismus noch Schwarzmalerei, sondern einen nüchternen Realismus. Wenn jede Gemeinde nur einen Baustein beiträgt, können wir gemeinsam diese Situation gut bewältigen und als Kirche für die Menschen da sein.