Startseite Archiv Nachricht vom 18. Oktober 2016

Petra Bahr bezieht Stellung zu "Terror" und dem Urteil der TV-Zuschauer: Kein Fall von Volksjustiz

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Köln/Hannover. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum hat davor gewarnt, dass die Terrorangst in der Bevölkerung zu stark um sich greifen und zu Gesetzesänderungen führen könnte. "Wir dürfen die Grundlagen unseres Zusammenlebens nicht ändern, weil wir von Terrorismus bedroht sind", sagte er am Montagabend in der Sendung "Hart aber Fair" im Ersten. In der Sendung wurde über den Film "Terror. Ihr Urteil" diskutiert, den das Erste zuvor gezeigt hatte.

In dem Film nach dem gleichnamigen Theaterstück von Ferdinand von Schirach wird der Fall eines Piloten verhandelt, der eine Lufthansa-Maschine mit 164 Menschen an Bord abgeschossen hat, um zu verhindern, dass dieses Flugzeug von einem Terroristen in ein Stadion gesteuert wird, in dem sich 70.000 Menschen befinden. Nach dem Film konnte das Publikum darüber abstimmen, ob es den Piloten für schuldig hält. 86,9 Prozent stimmten für Freispruch.

Baum sagte, damit habe das Publikum auch gegen das Grundgesetz gestimmt. Der FDP-Politiker hatte 2005 gemeinsam mit seinem Parteikollegen Burkhard Hirsch Verfassungsbeschwerde gegen das Luftsicherheitsgesetz eingelegt, das in einem solchen Fall den Abschuss des Passagierflugzeugs erlaubt hätte. Die Bundesverfassungsrichter kippten 2006 den entscheidenden Paragrafen und sagten, Menschenleben dürften nicht gegen Menschenleben aufgerechnet werden.

Die Zuschauer seien verleitet worden, den Piloten freizusprechen, weil sie Mitgefühl mit ihm hätten, sagte Baum. Formal sei er jedoch ein Mörder. Es sei falsch, vom "Krieg gegen den Terror" zu sprechen. Terroristen seien Kriminelle, die mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden müssten.

Der frühere Verteidigungsminister Franz-Josef Jung fühlte sich durch das Votum des Publikums bestätigt. Die Menschen in dem Flugzeug hätten keine Chance mehr gehabt, sagte der CDU-Politiker. Es gehe hier um das Lebensrecht derjenigen, die im Stadion seien. Die Bürger hätten "ein sehr gutes Gespür dafür, dass der Pilot Verantwortung übernimmt".

Die evangelische Theologin Petra Bahr warnte davor, die Abstimmung des Publikums als "Volksjustiz" einzuordnen. Die Zuschauer hätten in diesem Fall nur über das Ende des Films abgestimmt, sagte sie. Es gebe Situationen, in denen Menschen vor dem Gesetz sehenden Auges schuldig würden, um andere zu retten. Ein Film wie "Terror" zeige, dass wir "Gewissensschärfung" bräuchten. Sie selbst wolle in diesem Fall nicht wie eine Richterin über schuldig oder nicht schuldig entscheiden. Dies wäre Amtsanmaßung, sagte Bahr, die zum Februar nächsten Jahres das Amt der leitenden Landessuperintendentin in Hannover übernimmt.

Evangelischer Pressedienst (epd), Landesdienst Niedersachsen-Bremen

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Dr. Petra Bahr; Bild: privat