Deutschlands größte liberale jüdische Gemeinde feiert 20-jähriges Bestehen
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Hannover (epd). Deutschlands größte liberale jüdische Gemeinde in Hannover hat am Donnerstagabend ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, würdigte bei einem Festakt in der Synagoge "Etz Chaim" (Baum des Lebens) das Wachstum der Gemeinde auf inzwischen weit über 800 Mitglieder. "Der Baum des Lebens hat Wurzeln geschlagen im Leben der Stadt Hannover und in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland", sagte er vor rund 450 geladenen Gästen. Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) lobte den Einsatz der Gemeinde für das interreligiöse Gespräch.
Schuster wandte sich zugleich gegen eine wachsende Judenfeindlichkeit in Deutschland. "Wir alle sind mit Antisemitismus konfrontiert, der zunehmend als Kritik an Israel daherkommt." Heute kämen viele Menschen neu nach Deutschland, die ein schlechtes Bild von Israel mitbrächten. "Wir wollen unseren festen Platz in Deutschland behalten und unsere Interessen verteidigen", betonte er unter dem Applaus der Zuhörer.
Zur Gemeinde gehören heute Mitglieder aus 17 Nationen, zum großen Teil aus der früheren Sowjetunion, aber auch aus Rumänien, Argentinien oder Südafrika. Sie war 1995 mit 79 Mitgliedern gegründet worden - die ersten hatten sich von der orthodox ausgerichteten Jüdischen Gemeinde Hannover getrennt. 2009 weihte die Gemeinde in einer umgebauten evangelischen Kirche ihr Zentrum "Etz Chaim" ein, zu dem unter anderem eine Synagoge, eine Kindertagesstätte und eine Bibliothek gehören.
Der Aufbau der Gemeinde sei das Werk "starker Frauen", die sich für Reformen innerhalb des Judentums eingesetzt und dabei auch Konflikte in Kauf genommen hätten, hob Schuster hervor. "Vielfalt ist bereichernd", sagte er. "Das Judentum braucht Diskussion und Auseinandersetzung."
Heiligenstadt betonte, die liberale Gemeinde habe die Begegnung unterschiedlicher Menschen in den Mittelpunkt gestellt und sei offen für Angehörige anderer Religionen. "Diese vielfältige Arbeit hat schon viele Früchte getragen und viel Gutes bewirkt." Religion könne Menschen zusammenführen, aber auch bitteren Streit auslösen, sagte die Ministerin im Blick auf aktuelle Ereignisse in Deutschland, Israel, Syrien oder Afghanistan. "Dann sind Menschen gefordert, die trotz religiöser Unterschiede Respekt und gegenseitige Akzeptanz leben und vorleben."
Bundesweit gibt es 25 inzwischen liberale jüdische Gemeinden. Ihr Kennzeichen ist die völlige Gleichberechtigung der Frau in allen religiösen Belangen im Unterschied zum orthodoxen Judentum. Insgesamt leben in Deutschland rund 200.000 Juden. In Niedersachsen bestehen derzeit 20 jüdische Gemeinden, unter ihnen sieben liberale.