"Die Anfangshysterie ist vom Tisch"
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Sumte/Kr. Lüneburg (epd). Es sollen zunächst nur 500 Flüchtlinge in das niedersächsische Dorf Sumte nahe der Elbe kommen. Diese Nachricht bringt Alexander Götz aus dem Innenministerium in Hannover mit, als er am Mittwochabend in einer Sporthalle in Neuhaus bei Sumte vor etwa genauso viele Zuhörer tritt. Später könnten es bis zu 750 in der Notunterkunft werden, die der Arbeiter-Samariter-Bund in Sumte gerade einrichtet. Von 1.000 war die Rede, als Götz vor rund zwei Wochen das erste Mal da war. Das sorgte für Aufsehen, denn Sumte hat gerade mal 102 Einwohner.
"Es wird so sein, dass wir am Montag mit der Belegung beginnen können", sagt Götz. "Dann kommen Menschen mit Bussen." In der Halle bleibt es weitgehend ruhig. Die Zuhörer sind weniger aufgebracht, als bei dem letzten Besuch des Ministeriumsvertreters. Götz versucht, offengebliebene Fragen zu beantworten und erntet dafür auch Applaus. Die Flüchtlinge würden in der Notunterkunft mit Essen und Trinken und auch medizinisch versorgt. Es gebe einen Wachdienst. Die Unterkunft solle nur befristet bestehen: "Je nachdem, wie die Lage sich entwickelt."
In Sumte sind einige Bedenken ausgeräumt, andere bleiben. "Die Straßenlampen sind erneuert worden", erläutert Ortsvorsteher Christian Fabel. Sie wurden ergänzt und sollen künftig die ganze Nacht brennen. An einer besseren Internetverbindung, auf die örtliche Unternehmer ebenso wie die Flüchtlinge angewiesen sind, wird zumindest gearbeitet. Was bleibt, ist der Wunsch nach mehr Polizisten vor Ort. Eine ständige Polizeipräsenz sei aber nicht nötig, sagt der stellvertretende Lüneburger Polizeipräsident Matthias Oltersdorf. Und erstmals kommt etwas Unruhe auf. "Wir werden tun, was nötig ist, aber wir werden nicht übertreiben", ergänzt Oltersdorf.
"Wir haben nach wie vor Bauchschmerzen und gewöhnen uns schwer an den Umstand", fasst der Sumter Unternehmer Dirk Hammer die gemischten Gefühle zusammen. Die Anfangshysterie sei jedoch vom Tisch. Ortsvorsteher Fabel und die Bürgermeisterin der Gemeinde Amt Neuhaus, Grit Richter, kommen jetzt täglich mit dem Arbeiter-Samariter-Bund zu Besprechungen zusammen. "Das gibt uns auch ein Sicherheitsgefühl", sagt Fabel. "Man ist informierter."
Die 20 Häuser für die Flüchtlinge in einem ehemaligen Bürodorf seien fertig hergerichtet, sagt ASB-Cheforganisator Yens Meier. Und er verteilt Komplimente. Überwältigende 100 Menschen hätten sich auf die ausgeschriebenen Stellen in der Unterkunft beworben. 40 seien bereits eingestellt worden, die meisten aus der Region. Die Kleiderkammer sei mit Spenden schon gut gefüllt. "Hier in Sumte gibt es eine ganze Menge toller Menschen." Auch die ersten Ehrenamtlichen hätten sich gemeldet, sagt Meier.
Viele Freiwillige zu finden, könnte aber schwer werden, meinen manche hier. Das früher zur DDR gehörende Amt Neuhaus, ist nach der Wende wieder ein Teil Niedersachsens geworden. Arbeitswege sind in der Region mit wenig Infrastruktur lang. Auf die andere Elbseite geht es nur per Fähre oder auf Umwegen. "Wer Arbeit hat, ist tagsüber weg", sagt die evangelische Pastorin in Neuhaus, Renate Schwarz-Schieferdecker. Bei ihr haben immerhin eine gute Handvoll Ehrenamtliche schon Hilfe angekündigt, ebenso wie Kollegen von jenseits der Elbe.
Für Sumte bleiben Belastungen. Christian Schreiber, der direkt neben der künftigen Unterkunft wohnt, spürt davon schon etwas, noch bevor die ersten Flüchtlinge da sind. "Es sind die Schaulustigen, die einem auf den Keks gehen", sagt er. Auch manche Presseleute nervten. Der junge Familienvater ist eigentlich in das Dorf gezogen, um seine Ruhe zu haben. Jetzt hat er erst mal die Haustürklingel abgestellt. International haben Medien über den kleinen Ort mit den vielen Flüchtlingen berichtet. Selbst in der "New York Times" soll etwas gestanden haben, erzählt Ortsvorsteher Fabel: "Ich hätte lieber ein anderes Thema gehabt, um im Gespräch zu sein."