Eine kleine Überraschung im Alltag

Andacht zum Nikolaustag
Eine Weihnachtssocke mit Nüssen und einem roten Apfel.
Bild: canva/neelam279

Die Autorin

Eine junge Frau mit Brille
Bild: privat
Pastorin Dorothea Noordveld

Alles ist vorbereitet: Die Schuhe stehen geputzt vor der Tür, daneben ein kleiner Keksteller und ein Glas Milch. Nun heißt es warten. Ob der Nikolaus wohl kommt und die Schuhe füllt? Am nächsten Morgen – ausnahmsweise noch vor dem Wecker –Kinderfüße auf der Treppe. Und dann der erleichterte Freudenschrei: Die Schuhe sind gefüllt!

Mit Mandarinen und Nüssen, etwas Schokolade, ein kleines Geschenk ist auch dabei. Der Nikolaus war tatsächlich da! Von dem Keks sind nur noch ein paar Krümmel auf dem Teller, die Milch ist ausgetrunken. –  „Sieh mal, der Nikolaus hat sogar einen Zettel hinterlassen.“ „Danke für die Stärkung!“

Schon als Kind habe ich den Nikolausmorgen geliebt: eine kleine Überraschung mitten im Alltag. Dafür habe ich dann auch mit etwas weniger Widerwillen meine Schuhe geputzt – denn eigentlich finde ich das furchtbar.

Für Überraschungen mitten im Leben ist Nikolaus von Myra, der um 300 n. Chr. gelebt hat, berühmt geworden. Der Legende nach hat der Bischof einer armen Familie drei Abende hintereinander ungesehen und überraschend Gold durchs Fenster geworfen und die drei Töchter so – je nach Version – vor der Bettelei oder der Prostitution bewahrt. Dankbarkeit hat er nicht erwartet.

Wenn man sich die Geschichte von Nikolaus von Myra vor Augen führt, macht das mit dem Schuheputzen eigentlich gar keinen Sinn. Noch abstruser ist die Vorstellung, dass Nikolaus „böse“ Kinder mit der Rute bestraft – ich hoffe wirklich, dass diese Vorstellung nicht mehr erzählt wird.

Denn das Wunderbare an der Nikolausgeschichte ist gerade, dass Nikolaus einfach so hilft: überraschend und ungesehen, wo Hilfe nötig ist, ohne vorher zu checken, ob die Schuhe geputzt und die Gaben auch wirklich verdient wurden – am Ende erwartet er nicht mal Dankbarkeit!

So gesehen ist der Nikolaustag im Advent eine gute Vorbereitung für Weihnachten – denn davon dass Maria und Josef den Stall auf Hochglanz geputzt oder die Hirten wenigstens ihre Schuhe geputzt hätten, wird in der Weihnachtsgeschichte nichts erzählt. Gott kommt dorthin, wo es nötig ist, und nicht als Belohnung dahin, wo es alles hübsch und ordentlich und gut gemacht ist – ganz im Gegenteil.

Nikolaus ist und bleibt mein Lieblingsfest – eine kleine Überraschung mitten im Alltag, einfach so. Und das Beste ist: Ich muss meine Schuhe gar nicht dafür putzen. Wobei – wenn ich es doch tue, ist es wenigstens einmal im Jahr halbwegs erträglich.

Dorothea Noordveld