Trösten, nicht vertrösten

Andacht zum 15. Sonntag nach Trinitatis
Bild: canva/pixelshot

Der Autor

Ein Mann mit kurzen Haaren, Vollbart und Brille blickt in die Kamera.
Ralf Drewes

Ralf Drewes ist Pastor in der Nordstädter Kirchengemeinde in Hannover.

Heile, heile Gänschen!
Es ist bald wieder gut.
Das Kätzchen hat ein Schwänzchen,
es ist bald wieder gut.
Heile, heile Mäusespeck,
in hundert Jahr’n ist alles weg.

Wer kennt nicht dieses gesungene und gestreichelte Trostpflaster für Kinder. Nur: Als Kind hat mich das nicht ganz überzeugt in meiner Sorge, meinem Weh. Das Streicheln: ja. Aber hundert Jahre warten? Na, super, dann bin ich selbst ja auch weg. Also bekam ich zu hören: „Das gibt sich, das gibt sich bis neunzehnhundertsiebzig.“ Meine Skepsis blieb. Klar, die Zeit vergeht. Und dann? Dann hieß es: „Das macht sich, das macht sich bis neunzehnhundertachtzig.“ Und was nicht alles mehr. Würde das nicht Kindern gesagt, sondern einem erwachsenen Menschen, würden der oder die sagen: „So eine Frechheit!“ Wer nur auf bessere Zeiten verweist bei allen menschlichen Sorgen und Nöten, der nimmt die Leute einfach nicht ernst. So jemand vertröstet nur statt zu trösten. Jeder unserer Verluste will gesehen und verarbeitet werden. Hier und jetzt. Darum ist echter Trost in der Wirklichkeit verankert. Genau hinsehen und das benennen, was ist. Echter Trost spiegelt nichts vor, erfreut sich nicht an denen, die es schlechter erwischt hat und kennt auch keine Selbstbelohnung. Einer hat’s mal auf den Punkt gebracht: Nur die Stimme der Wahrheit kann trösten.

Der echte Trost hat eine Schwester: Die Ent-Täuschung. Sie ist leider nicht sehr beliebt. Man hält sie für ziemlich ruppig. „Mach dir bitte nichts vor!“ – „Die Welt ist ungerecht.“ Das hört keiner gerne. Wer nun denkt, die Schwester des Trostes ist ein kaltes, gefühlloses Ding, der irrt. Schwester Ent-Täuschung ist eine treue Begleiterin für alle, die bereit sind, die Fassaden im Leben zu durchbrechen. Echter Trost kommt, wenn ich mit einem anderen Menschen dasitze, auf dem Hosenboden der Tatsachen. Echter Trost kommt, wenn jemand ganz bei mir ist. Wer einmal von Jesus gehört hat, weiß das: Gott wartet nicht erst im Himmel auf uns. Nicht erst morgen. Gott ist in der wirklichen Welt. Hier ist der Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott, der sagt: Ich sorge für dich. Da bin ich.

Amen.

Der Autor

Ein Mann mit kurzen Haaren, Vollbart und Brille blickt in die Kamera.
Ralf Drewes

Ralf Drewes ist Pastor in der Nordstädter Kirchengemeinde in Hannover.

Biblischer Text,
1. Petrusbrief 5,7
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für Euch.
Ralf Drewes