Doch, sagt sie, meine größte Angst ist es, alleine zu sein. Dass keiner mehr kommt und da ist. Zum einen hoffe ich natürlich, dass es keine aktuelle Angst ist, weil ich ja gerade hier bei ihr sitze. Da bin. Aber ich merke auch, dass dies eins der größten Pfunde ist, mit dem wir Christenmenschen wuchern können: Wir verkünden einen Gott, der da ist.
Unsere Bibel erzählt in etlichen Geschichten von diesem Gott, der da ist. Der Moment, in dem das besonders deutlich wird, ist Weihnachten. Die Botschaft dieser Nacht ist die Erfüllung einer uralten Sehnsucht nach Gottesnähe und Versöhnung.
Der Prophet Jesaja, der um das Jahr 700 v. Christus lebte, schreibt: „Eine junge Frau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel, Gott mit uns, geben.“ Dieses Kind, so die Prophezeiung, wird Gottes Nähe, seine verstehbare Botschaft und Trost in die Welt bringen. In seinem Leben wird deutlich, was es bedeutet: „Gott ist mit uns.“ Wie ein Licht in dunkler Nacht wird dieses Kind Orientierung geben.
Hier sind wir wieder bei Weihnachten, in der Heiligen Nacht. „Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden ein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen“, sagte der Engel zu den Hirten auf dem Feld. „Dieses Kind in der Krippe ist der Messias, der Retter Israels“, so wird erläutert.
Ein Kind als Zeichen für Hoffnung, für neues Leben. Dieses Bild versteht jeder Mensch. Ein Kind als Zeichen für Verletzlichkeit. Auch das leuchtet unmittelbar ein. Ein neugeborenes Baby ist auf Liebe, auf Schutz, auf Wärme und Behutsamkeit angewiesen. Dass solch ein Kind aber der Messias ist, das ist Sache des Glaubens und Vertrauens.
Jesaja und die Hirten lassen sich auf dieses Zeichen ein. Dieses Kind steht für „Gott ist mit uns“. Gott wird Mensch in diesem Kind, das genauso hilfsbedürftig ist, wie es kleine Menschen nun mal sind. So zeigt Gott: Eure Not ist auch meine. Gott macht sich menschliche Not und Bedürftigkeit zu seiner eigenen. Unsere menschliche Not und Bedürftigkeit. Gott erlebt das selber und kennt das: Arm sein, keine Unterkunft zu haben, ... später dann auch Leid und Sterben. Gott kennt das und ist da mit dabei.
Was ändert das? Ein glaubendes Leben, ein Leben in dem Bewusstsein, dass Gott mit uns lebt, bleibt nicht verschont. Da gibt es Armut und Angst, Liebeskummer, Krankheit, Tod, Verlust, Schuld. Daran ändert sich nichts. Und gleichzeitig ändert sich alles. Weil das Vertrauen in Gott und das Rechnen mit diesem Gott den Blick auf die erlebte Wirklichkeit verändern. Das Erleben der Wirklichkeit verändert sich. Die Wirklichkeit verändert sich.
Durch das Wissen, dass Gott mit uns ist, ändert sich nichts. Durch den Glauben ändert sich nichts. Und gleichzeitig ändert sich alles. Wir leben und leiden nie alleine. Dass Gott mit uns ist, hilft uns, in schweren Zeiten zu bestehen. Und das hat Bestand. Durch schwere Zeiten hindurch. Sogar über den Tod hinaus.
Mit der Geburt in Bethlehem hat Gott menschliche Bedürfnisse zu seinen eigenen gemacht. Es ist Gottes Traum von seiner und unserer Welt, dass es gerecht in ihr zugeht. Dass die Güter gerecht aufgeteilt sind. Dass jeder genug zum Leben hat. An Lebensraum und Lebensmitteln. Es gibt also noch viel zu tun. Gott macht es mit.
Amen.
Jesaja 7,14b