Ein neuer Anfang aus einer alten Wurzel

Andacht zum Sonntag Rogate
Ein entwurzelter Baum in einem Wald.
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Die Autorin

Christina Kleingeist
Bild: privat
Christina Kleingeist

Christina Kleingeist ist Pastorin in Hechthausen (Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln).

Auf einem Waldweg entdecke ich sie: Mächtige Wurzeln, die einem Baum sicheren Halt gegeben haben – über Jahrzehnte. Ein großer Sturm scheint sie herausgerissen zu haben. Wo sie sich in die Erde krallten, klafft ein tiefes Loch. Das fein verzweigte Wurzelwerk, das den Baum verlässlich versorgte, ist nun zerrissen. Seine Wurzeln greifen haltlos ins Leere. Welche Wucht muss der Sturm gehabt haben… Ich erschrecke über diese Kraft und bin zugleich fasziniert: Wurzeln, die ich nur sehen kann, weil sie mit Gewalt herausgerissen wurden. Ein Baum muss umfallen, damit seine Wurzeln sichtbar werden. Und meine Wurzeln?

Unweigerlich denke ich an Stürme in meinem Leben. Da sind Träume zerplatzt, wurden Pläne zerstört, sind mir Menschen verloren gegangen. Situationen fallen mir ein, die mich auf den Grund gestoßen haben. Erfahrungen, die mich letztlich an meine Wurzeln gebracht haben; an die Frage: Was hält, was trägt und nährt mich eigentlich?

Gott? Manchmal bin ich ganz sicher – fest verwurzelt. Dann wieder fühle ich mich weit entfernt, suche ihn und kann ihn nicht finden. Vielleicht hat mich diese Entdeckung im Wald darum so bewegt. Denn: Dass Wurzeln nur sichtbar sind, wenn ein Baum umfällt, wenn etwas kaputt gegangen ist, das ist eine Sache. Die andere ist die unglaubliche Lebensenergie, die in einer Wurzel steckt. Wenn sie Kontakt behält, Boden um sich bekommt und Wasser, dann wird sie wieder ausschlagen. So auch hier: An den Zweigen des Baums treiben erste Frühlingsblätter. Ein neuer Anfang aus einer alten Wurzel!

Darin kann ich Gott am deutlichsten erkennen: In solcher Lebensenergie; die auch Menschen in sich bergen – Kraft, dass auch nach zerplatzten Träumen, nach zerstörten Hoffnungen, sogar nach großem Verlust und zerstörerischen Lebensstürmen Neues wachsen kann. Wann immer mir der kleinste Funke solcher Lebensenergie begegnet – in Gesprächen, im Miteinander oder in der Stille – erfahre ich ein bisschen mehr von Gott. Und von dem, was er versprochen hat: Ich nähre dich. Ich trage dich. Ich bin da.

Am Sonntag denken wir nach über das Beten. Auch das nährt meine Wurzeln, das, was mir Halt gibt: Offen und frei von der Leber weg mit Gott zu sprechen und darauf zu vertrauen: Gott nimmt mich ernst, wenn ich mich an ihn wende. Nie wird er mir seine Liebe entziehen. Und wenn ich seine Wege verlasse und Gott allen Grund hat, enttäuscht, vielleicht sogar sauer auf mich zu sein, bin ich weiter begleitet und in allem nur Denkbarem ist ein neuer Anfang möglich.

Predigttext,
2. Mose 32,7–14
Der Herr sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben’s angebetet und ihm geopfert und gesagt: Dies sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland geführt haben. Und der Herr sprach zu Mose: Ich habe dies Volk gesehen. Und siehe, es ist ein halsstarriges Volk. Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie verzehre; dafür will ich dich zum großen Volk machen. Mose wollte den Herrn, seinen Gott, besänftigen und sprach: Ach, Herr, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem glühenden Zorn und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst. Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig. Da gereute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk angedroht hatte.
Christina Kleingeist