„Was sagen Sie dazu, Frau Pastorin?“

Andacht zum 3. Sonntag nach Epiphanias
Ein Kuchenbuffet
Bild: Pixabay

Die Autorin

Cathrin Meenken
Cathrin Meenken

Cathrin Meenken ist Pastorin in der Auricher Lamberti-Kirchengemeinde und Öffentlichkeitsbeauftragte im Kirchenkreis Aurich.

„Jetzt muss ich Sie mal was fragen, Frau Pastorin“, kam eine ältere Frau auf einer auswärtigen Geburtstagsfeier auf mich zu. Oha. Ich drehte mich zu ihr und war gespannt, was sie wollte. „Also, in unserer Kirchengemeinde gibt es viele Angebote für Senioren. Nachmittage, Gesprächskreise und Frühstückstreffen. Seit Jahrzehnten bin ich in unserer Gemeinde ehrenamtlich aktiv und gehe auch gerne zu diesen Treffen“. „Ach, das freut mich, dass Sie so eine lebhafte Gemeinde sind“, antworte ich, „toll!“. „Ja, aber jetzt kommt es! Wir werden immer mehr Menschen. Meine Nachbarin zum Beispiel kommt jetzt auch immer, seit ihr Mann gestorben ist. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Nie hat die sich sehen lassen in all den Jahren! Und nun plötzlich, seit es ihr schlecht geht, sitzt sie im Gemeindehaus zum Tortefuttern und der Pastor sagt da nichts zu!“

Puh, also insgeheim gratuliere ich gerade dem unbekannten Kollegen zu dieser großartigen Gemeindearbeit, während ich um Worte ringe. Ich muss an die Geschichte vom verlorenen Sohn denken. Der Sohn, der all die Jahre zu Hause geblieben ist, guckt auch argwöhnisch auf seinen Bruder, der sich all die Jahre nicht sehen lassen hat und in Saus und Braus gelebt hat, während der andere die Stellung zu Hause gehalten hat. Als der verlorene Sohn dann am tiefsten Punkt seines Lebens wieder zurück kommt, empfängt der Vater ihn mit einem großen Fest. Das passt dem zuhausegebliebenen, fleißigen Sohn natürlich gar nicht. Aber der Vater freut sich so sehr, dass sein verlorengegangener Sohn den Weg zurück nach Hause gefunden hat, und das war ihm ein großes Fest wert. Ob es da auch Torte gab? Vielleicht.

„Was sagen Sie dazu, Frau Pastorin?“ Ich sage ihr, was ich denke. Nämlich dass ich ihren Ärger schon verstehe, aber die Arbeit ihrer Kirchengemeinde auf mich super wirke. „Wie vorbildlich ist es, dass sie traurige Menschen mit offenen Armen empfangen. Egal, was in den Jahren vorher gewesen ist. Das wird Gott gefallen. Und Ihre Nachbarin weiß das sicher sehr zu schätzen, wenn sie selbstverständlich auf dem gleichen Frühstückstreffen sein darf wie Sie, obwohl sie sich nicht jahrelang engagiert hat. Eigentlich kann ich Ihnen nur gratulieren, dass Sie ein Teil von dieser gastfreundlichen Gemeinde sind und sie in all den Jahren mit aufgebaut haben. Ihre Bemühungen tragen Früchte!“ Etwas verdutzt nuschelt sie etwas in ihren Schal hinein. Ich weiß nicht, ob meine Worte ihr gefallen haben. Zusammen steuern wir das Tortenbuffet an und feiern, was zu feiern ist.

Amen.

Biblischer Text: Lukasevangelium 15,11–32
Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie.
Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort
brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.
Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße; mache mich einem Deiner Tagelöhner gleich! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.
Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser
mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und Dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich Dir und habe Dein Gebot nie übertreten, und Du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser Dein Sohn gekommen ist, der Dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast Du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, Du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist Dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser Dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.
Cathrin Meenken