Perspektiven

Andacht zum 4. Sonntag nach Trinitatis
Bild: S. Hermann und F. Richter/pixabay.com

Der Autor

Jakob Kampermann
Bild: privat
Jakob Kampermann

Ich habe den Eindruck, es ist mal wieder eine Frage der Perspektive in diesem berühmten Gleichnis vom Splitter im Auge.

Was siehst Du den Splitter in Deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst Du nicht wahr? Wie kannst Du sagen zu Deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will Dir den Splitter aus Deinem Auge ziehen, und Du siehst selbst nicht den Balken in Deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus Deinem Auge, danach kannst Du sehen und den Splitter aus Deines Bruders Auge ziehen.

Jesus schüttelt uns durch, um uns zu helfen, den Blickwinkel zu wechseln. Natürlich ist alles, was in meinem eigenen Auge steckt, viel größer für mein Auge als das, was weiter weg ist. Ein Splitter vor meiner Pupille wird somit schnell zu einem Balken. Nicht in dem, was es tatsächlich ist, aber in dem, wie ich es wahrnehme: Das ist ein wirkliches Brett!

Wie wir das Bildwort von den Splittern und den Balken auch drehen und wenden, aus welchem Blickwinkel und in welcher Perspektive wir es uns anschauen – seine Botschaft ist immer dieselbe: Überprüfe Deinen Blickwinkel. Deine Maßstäbe! Schau nach, ob Dein Blick auf Dein Leben und Glauben wirklich passt.

Denn Jesus sagt ja nicht, dass es überhaupt keine ärgerlichen Splitter gäbe. Natürlich gibt es bei anderen Menschen immer wieder etwas, worüber man sich ärgern könnte oder wundern – aber man muss das ja nicht übertreiben.

Und auch die Balken im eigenen Auge sind nicht so schlimm, wie sie klingen. Denn sie sind eben nur für mich selbst so monströs groß, dass sie mich blind zu machen drohen für alles andere an mir und in meinem Leben. Was ich bei mir selbst als belastenden Balken wahrnehme, ist für andere vermutlich nur ein harmloser Splitter.

Jesus bittet uns um noch größere Gelassenheit und noch größere Geduld: im Umgang mit uns selbst, mit anderen und mit Gott. Ein lohnender Tipp für unsere Wahrnehmung von uns selbst und der Welt um uns herum: Zieh zuerst den Balken aus Deinem Auge, danach kannst Du sehen und den Splitter aus Deines Bruders Auge ziehen.

Der Text zur Andacht,
Lukas 6, 36-42
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn
eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.
Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann denn ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen?

Ein Jünger steht nicht über dem Meister; wer aber alles gelernt hat, der ist wie sein Meister.

Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr?

Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge?

Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.
Jakob Kampermann