In schwerer See

Andacht zum vierten Sonntag vor der Passionszeit
Die See kann unberechenbar sein - und darauf soll Petrus gehen?
Bild: flickr.com / Tony Hisgett / CC BY 2.0

Jesus geht auf dem Wasser. Eine krasse Geschichte, könnte man meinen. Vordergründig. Wenn man aber tiefer blickt, drängt sich der Verdacht auf, dass es dem Evangelisten Matthäus gar nicht darum ging, ein paar interessante Fakten aus Jesu Leben wiederzugeben. Sondern darum, eine krasse Wahrheit festzuhalten.

Dafür bedient sich Matthäus eines Motivs, das den ersten Leserinnen seines Evangeliums nicht unbekannt ist: Von menschlichen Wesen, die übers Wasser gehen können, hörte und las man damals öfters. Heute werden solche Geschichten nicht mehr erzählt. Wahrscheinlich nicht einmal von Wladimir Putin.

In der Antike galt die Fähigkeit, auf dem Wasser zu gehen, als Zeichen göttlicher Macht. „Den Göttern gleich ist der, der das unmöglich Scheinende möglich machen kann, der, wenn er will, zu Fuß über das Meer schreitet…“. Diese Definition findet man bei Dion Chrysostomos, einem griechischen Redner und Philosophen des ersten Jahrhunderts. 

In diese allseits bekannte Kerbe haut Matthäus also kräftig rein. Und schreibt dann: „Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn.“ Mit anderen Worten: Alles, was ihr bisher über Menschen gehört habt, die Göttern gleich sein sollten, ist Quatsch. Gott gleich ist nur einer: Jesus Christus.

Und Matthäus setzt noch einen drauf: Er lässt auch Petrus über das Wasser laufen. „Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu.“ 

Die Göttlichkeit, die Jesus hier zugesprochen wird, ist so groß und umfassend, so übersprudelnd, dass sie auch auf andere überspringt. In der Erzählung ist es Petrus, der erlebt, was alles möglich ist, wenn er sich von Jesu’ Ruf locken lässt.

Petrus, der vorlaute Vorreiter aus der Gruppe der Jünger, steht für alle, die Jesus im Glauben gefolgt sind und noch folgen. Wir Christen haben Anteil an Jesu Göttlichkeit. Was für ein Zuspruch!

Dieser Text aus dem Matthäusevangelium ist nicht nur ein Glaubensbekenntnis, sondern auch ein Bild des Glaubens an sich. Was trägt Dich, wenn alle Stricke reißen? Wenn die Wellen hoch schlagen und die Wassermassen Dich verschlingen? Solche Situationen gibt es in jedem Leben. Das passiert auch gläubigen Christenmenschen. Das ist nicht zuletzt auch Jesus selbst passiert.

Im nächsten Moment wird Jesus Petrus die Hand reichen und sie werden das Boot betreten. Jesus ist Helfer in der Not, er wendet sich dem zu, der ihn braucht und um Hilfe bittet.  „Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan.“ In der Geschichte streckte Jesus sogleich die Hand aus, ergriff Petrus - und der Wind legte sich.

Das ist kein Hirngespinst, sondern eine Wahrheit, die Matthäus festhalten will: „Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!“ Das hilft uns, in schweren Zeiten zu bestehen. Gott, der uns aus der Tiefe holt, damit wir leben: Das hat Bestand, sogar über den Tod hinaus.

Amen.

Der Text zur Andacht,
Matthäusevangelium 14, 22-33
Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!
Jakob Kampermann