Einheit und Demut: Die Botschaft von Paulus für die heutige Kirche

Generalsekretärin des Kirchentages hält Bibelarbeit auf Landessynode
Eine als Frau lesbare Person steht an einem Redepult und spricht in ein Mikrofon.
Bild: Jens Schulze

„Mutig – stark – beherzt“: Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Dr. Kristin Jahn, sprach bei ihrer Bibelarbeit auf der hannoverschen Landessynode über das Motto des kommenden Kirchentages in der niedersächsischen Landeshauptstadt. „Zuhören heißt nicht zustimmen, aber es ist der Anfang eines Gesprächs“, sagte sie mit Blick auf unterschiedliche politische Positionen. Wichtig sei es, Menschen anderer Meinung nicht auszugrenzen und „offen zu bleiben, auch für den ärgsten politischen Gegner.“

Kirche als Ort der Heilung

Die Botschaft des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth könnte aktueller kaum sein, arbeitete die evangelische Theologin heraus. Sie rufe, bei aller Unterschiedlichkeit, zur Einheit, zur Demut im Umgang mit Macht, zur praktischen Umsetzung des Glaubens, zur Wachsamkeit und Besonnenheit sowie zur Anerkennung der Kirche als Ort der Heilung auf.

Inmitten von Konflikten und Spaltungen erinnere Paulus die Gläubigen daran, dass Christus nicht zerteilt werden könne. Seine Mahnung, dass es keinen Paulus, Ralf oder keine Kristin gebe, der oder die für die Gläubigen auferstanden ist, sei ein kraftvoller Aufruf zur Einheit in Christus. Diese Botschaft habe eine besondere Resonanz in unserer heutigen Zeit, in der auch unsere Kirchen vor vielfältigen Herausforderungen stehen – von Reformprozessen bis hin zur Aufarbeitung von Machtmissbrauch.

Mehr als ein moralischer Verein

Zur Person
Kristin Jahn steht als Generalsekretärin seit 2021 an der Spitze des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT). Zuvor war die evangelische Theologin und promovierte Literaturwissenschaftlerin Superintendentin in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Vorherige Stationen waren die Stadtkirchengemeinde Wittenberg sowie Vachdorf/Meinigen. Die Predigerin ist unter anderem Preisträgerin des ökumenischen Predigtpreises des Verlages der Deutschen Wirtschaft.

In einer Zeit, in der Kirchen zunehmend Gefahr liefen, zu bloßen moralischen Vereinen zu werden, erinnere Paulus daran, dass eine Kirche, die nur aus Gleichgesinnten besteht, keine wahre Kirche Jesu Christi sei, so Jahn. Der Wert eines Menschen liege nicht in seinen Taten, sondern darin, dass er ein Geschöpf Gottes ist. Diese grundlegende Würde bleibe trotz aller Fehler bestehen. Denn die christliche Religion trenne den Menschen von seinen Taten und rufe ihn zur Umkehr und Buße auf.

Ein zentrales Thema sei der Umgang mit Macht innerhalb der Kirche. Paulus warne vor der Versuchung, Macht an sich zu reißen und damit andere zu überfordern oder sogar zu verletzen. Diese Warnung sei besonders relevant in Zeiten, in denen die Kirche sich mit Themen wie Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt auseinandersetzen müsse. Paulus stellt klar, dass das Recht zu richten allein bei Gott liegt und nicht bei den Menschen. Dies sei eine Mahnung gegen Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit sowie ein Aufruf zur Kirche als ein Ort der Demut und des Dienens.

Paulus warne weiter davor, sich selbst zum Richter über andere aufzuschwingen, auch nicht aus besten Motiven heraus. Diese Warnung sei ein Aufruf zur Selbstreflexion und zur Anerkennung der eigenen Unvollkommenheit. In einer Zeit, in der die öffentliche Verurteilung anderer oft als Tugend betrachtet werde, erläuterte die evangelische Theologin.

Paulus’ Vision der Kirche als letzte Herberge für alle Menschen – für Sünder und Gerechte, für diejenigen, die aneinander schuldig geworden sind – sei eine kraftvolle Erinnerung an die Rolle der Kirche als Ort der Heilung und Versöhnung. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen immer tiefer werden, biete die Kirche eine einzigartige Möglichkeit, Brücken zu bauen und Gemeinschaft zu fördern.

EMA