Tagung in Loccum: Wie können Kirche und Diakonie besser zusammenarbeiten?

Bild: Florian Kühl
Dr. Joachim Lange

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Zwei Tage haben kirchliche und diakonische Mitarbeitende über Herausforderungen wie Gebäudemanagement, soziale Verantwortung oder Fachkräftegewinnung, gesprochen. Wir haben gemeinsam Hindernisse diskutiert und nach Lösungen gesucht. Ob Quartiersarbeit, neue Überlegungen zu gelebter Inklusion oder andere Kooperation, die der Begegnung von Menschen dienen – die Ideen der Menschen in Kirche und Diakonie sind vielfältig. Im Interview blickt Joachim Lange, promovierter Ökonom und Studienleiter an der Evangelischen Akademie Loccum, auf die Tagung zurück. 

Herr Lange, Diakonie ist doch auch Kirche? Wozu dann eine Tagung über die Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie?
Lange: Natürlich ist Diakonie Kirche, das betont auch die neue Verfassung der hannoverschen Landeskirche, aber in der Alltagspraxis ist da noch Luft nach oben: Kirche und Diakonie haben viele Ressourcen, das wird angesichts der Klage über den Mitgliederrückgang der Kirche oft vergessen. Aber diese Ressourcen werden nicht immer gut genutzt. Die Tagung wollte fragen: Wie kann das besser werden und wie können Kirche und Diakonie dabei zusammenwirken?

Da gibt es doch bestimmt viele Möglichkeiten. Konnten Sie diese alle in einer Tagung besprechen?
Lange: Da haben Sie vollkommen recht, das geht angesichts der Fülle der Chancen nicht. Daher haben wir uns in dieser Tagung, die eine ganze Reihe von Veranstaltungen eröffnet, darauf konzentriert, wie Kirche und Diakonie Menschen im Quartier koordiniert besser erreichen können.

Was meinen Sie mit Quartier und Koordination?
Lange: Kirche und Diakonie sind oft im gleichen Stadtteil, im gleichen Dorf „unterwegs“ und bieten den Menschen gute Angebote. Aber manchmal weiß man in der Kirchengemeinde gar nicht um die Dienste für besonders unterstützungsbedürftige Gemeindeglieder, die die Diakonie anbietet oder die diakonische Einrichtung weist nicht auf seelsorgerische Angebote und Gottesdienste der Kirchengemeinde hin. Dabei wäre das schon ein einfacher erster Schritt. Bisweilen gibt es auch parallele Angebote von Kirche und Diakonie – und im schlimmsten Fall macht man sich sogar Konkurrenz. Da könnte es schon helfen, sich abzustimmen: Wer macht was? Und es gibt natürlich auch Möglichkeiten der Kooperation. Das kann dann besonders wirkungsvoll sein, ist aber meist auch aufwändiger.

Welche Beispiele für Kooperationen wurden auf der Tagung besprochen?
Lange: Es gab es eine große Bandbreite: Von gemeinsamen Gottesdiensten der Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen über das Austragen des Gemeindebriefes durch Menschen mit Unterstützungsbedarf und die Zusammenarbeit diakonischer Kindertagesstätten in kirchlichen Kita-Verbänden bis hin zur gemeinsamen Nutzung und Entwicklung von Gebäuden und Grundstücken.

Das muss doch für viele Kirchengemeinden, die Schwierigkeiten haben, ihre Gebäude instand zu halten, von Interesse sein?
Lange: Tatsächlich, das ist oft eine Win-Win-Situation: Kirche hat die Immobilien, Diakonie benötigt sie. Oft sind kirchliche Grundstücke auch sehr günstig für die Diakonie gelegen, die ihre Aktivitäten im Zuge der Inklusion aus den Anstalten in die Städte und Dörfer verlegt.

Aber gibt es dabei nicht auch Schwierigkeiten und Widerstände?
Lange: Natürlich, viele Gemeindeglieder trennen sich ungern von Räumen, in denen sie wertvolle Erfahrungen der Gemeinschaft gemacht haben. Und natürlich gibt es auch in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht viel zu bedenken.

Wie kann man diese Schwierigkeiten überwinden?
Lange: Oft ist es gar nicht erforderlich, eine Immobilie ganz aufzugeben, vielfach reicht es schon, wenn die Gemeinde jene Teile des Gebäudes nutzt, die sie für ihre Arbeit benötigt und andere Teile können von einer diakonischen Einrichtung genutzt werden. Natürlich sind dafür bisweilen Um- oder gar Neubauten erforderlich, deren Finanzierung in jüngerer Zeit nicht einfacher geworden ist.

Apropos Finanzierung: Wie kann denn vermieden werden, dass der eine Partner nicht fürchten muss, vom anderen „über den Tisch“ gezogen zu werden?
Lange: Mit einem guten Gebäudemanagement und gegenseitigem Vertrauen kann das vermieden werden: Ein gutes Gebäudemanagement mit dessen Hilfe die Kirchengemeinde weiß, wo sie steht, welche Raumbedarfe sie hat, in welchem Zustand ihre Immobilien sind und welchen Wert sie haben, ist da ungemein hilfreich. Aber auch das Vertrauen zwischen den Akteuren, das durch gegenseitiges Kennenlernen und positive Kooperationserfahrungen aufgebaut werden kann.

Wie könnte dieses Kennenlernen befördert werden?
Lange: Kennenlernen und positive Kooperationserfahrungen brauchen Zeit und können nicht verordnet werden. Aber sie werden erleichtert, wenn man mehr voneinander weiß. Zum einen wäre es hilfreich, wenn es mehr Gelegenheit zum regelmäßigen Austausch gäbe – das ist künftig auf Kirchenkreisebene ja auch bereits vorgesehen. Zum anderen wäre es wünschenswert, wenn die Handlungsfelder der Diakonie und ihr sozialpolitischer Hintergrund schon in Studium, Aus- und Fortbildung der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker berücksichtigt werden könnten.

Florian Kühl/Evangelische Akademie Loccum