Die Jugend startet durch
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Dass eine 25-jährige Studentin an die Spitze der EKD-Synode gewählt wurde, hat für viel Aufsehen und viele Glückwünsche gesorgt. Ohnehin sind in dieser Synode so viele junge Menschen wie nie zuvor vertreten. Auch aus dem Kirchenkreis Emden-Leer wurde ein Student ins Präsidium gewählt: Marten Siegmund ist 22 Jahre alt und damit der jüngste Beisitzer.
Im Interview spricht über Arbeit an der Basis, die Verantwortung der Jüngeren und ihren Einfluss auf Kirchenpolitik.
Herr Siegmund, herzlichen Glückwunsch zur Wahl ins Präsidium der EKD-Synode! Zuvor sind bzw. waren Sie in der Gemeinde in Ihrer Heimat, für den Kirchenkreisjugendkonvent und die Landesjugendkammer aktiv. Warum sind Sie dabei?
Siegmund: „Weil ich Kirche als etwas sehr wertvolles erfahren habe und möchte, dass das mehr Menschen erreicht.“
Man wirft Jugendlichen manchmal vor, sie seien uninteressiert und wenn man an Kirche denkt, sehen viele erstmal ältere Menschen beim Gottesdienst vor sich. Wieso scheint Kirche als uncool zu gelten?
Siegmund: „Vermutlich weil diejenigen nur Vorurteile sehen und weniger die ganzen bunten Aktionen, die es in jedem Kirchenkreis gibt, das Landesjugendcamp, die Freizeiten – ich denke, die Evangelische Jugend in Deutschland ist der größte Freizeit-Anbieter; aber das nimmt man nicht so wahr. Was man dagegen beobachten kann, ist, dass die Kirchenaustrittszahlen bei den Evangelischen Gemeinden steigen, wenn es in der katholischen Kirche einen Skandal gab. Die Leute unterscheiden da leider nicht so sehr. Natürlich muss Kirche jedoch auch offen sein und ein Gespür haben, was junge Menschen bewegt.“
Mit welchem Gefühl gehen Sie in Ihr neues Amt - Herausforderung, Respekt?
Siegmund: „Sicher beides. Wir Jüngeren haben vielleicht nicht die Erfahrung, wie ältere, aber ich denke, mit dem frischen Blick auf die Themen können wir uns gut einbringen. Vielleicht auch mal etwas hinterfragen, was lange als gegeben angesehen war oder mal eine vermeintlich dumme Frage stellen und so anreizen, zu reflektieren. Und klar, persönlich wächst man mit seinen Aufgaben.“
Anna-Nicole Heinrich ist 25 und folgt auf Irmgard Schwaetzer, die 79 Jahre alt ist, also 54 Jahre älter. Ist das ein Bruch, ein Generationenwechsel?
Siegmund: „Ja – aber nicht, weil Frau Heinrich jetzt alles über den Haufen werfen und neu machen will. Sie hat sich einfach angeboten - und die beiden Vize-Präses Elke König und Andreas Lange wurden ja im Amt bestätigt. Mit Anna-Nicole Heinrich setzen wir, denke ich, auch nach außen ein Signal. Insgesamt aber brauchen wir eine Kirche, die sowohl Freizeiten für Kinder, aber auch den Kaffeekranz für Ältere anbietet. Kirche muss ihre Angebote nach ihren Mitgliedern ausrichten.“
Haben die Jüngeren tatsächlich Einfluss – oder ist ihr Beisein oft nur eine Art Alibi, damit man sagen kann, man hätte die Jugend ja einbezogen?
Siegmund: „Anfangs war es bei manchen tatsächlich nur ein Alibi, das denke ich schon. Manche haben die Jugendarbeit als Spielplatz betrachtet, wo wir uns austoben können, aber die Älteren die eigentliche Politik in der „Erwachsenenkirche“ machen wollten. Aber jetzt sind wir so präsent, dass wir wirklich ein Bewusstsein schaffen können für unsere Anliegen. Es ist nicht mehr so, dass unsere Interessen nur von einer Person krampfhaft hochgehalten werden, weil sie dafür eben in dem Gremium ist – wir sind da und wir verstecken uns nicht.“
Wie viel können Sie vom Präsidium aus bewegen?
Siegmund: „Das Präsidium ist ja mehr als nur die Leitung der Sitzung. Mit unserem Blick auf die Tagesordnungspunkte, die Art und Weise zu moderieren, können wir Impulse bei der Debatte setzen. Als Anna-Nicole Heinrich zum Beispiel bei der Synode aufstand und den Schluss-Segen sprach und dann ganz einfach „Tschüssi“ sagte: das war eben mal anders als sonst und der ein oder andere hat da geschmunzelt.“
So ein Amt bedeutet auch viel Arbeit hinter den Kulissen, Mehrheiten zu besorgen, etc. Holen Sie sich da von den Erfahreneren, zum Beispiel Frau Schwätzer, mal einen Tipp?
Siegmund: „Ja, auf jeden Fall. Das gilt aber für alle neuen Synodale, egal welchen Alters, dass man sich mal erkundigt.“
Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit wichtig, welche Themen bewegen Sie?
Siegmund: „Wir dürfen keine Kirche von Ballungszentren werden! Wenn man auf reine Zahlen blickt, erkennt man oft nicht, was vor Ort tatsächlich dahintersteht, gerade Prozentzahlen verwirren leicht bei Gemeinden im ländlichen Raum. Wenn eine Gemeinde 1.200 Glieder hat, wirken 40 der über 80 Jugendlichen in der Jugendarbeit nicht viel – das ist aber faktisch quasi jede und jeder in dem Dorf!
Es ist wichtig, dass wir überall vor Ort sind, dass es genügend Pfarrstellen und Diakone gibt, denn wir sind nur gut, wenn wir an der Basis gut sind. Wenn ein Diakon mal für einen Tag in eine Gemeinde kommt und dann wieder weg ist, bringt das nichts. Es müssen Beziehungen aufgebaut werden. Meine eigene Gemeinde ist ein tolles Beispiel: seit zwei Jahren gibt es dort einen Diakon. Der hat freitags eine Jugendzeit etabliert, da kann man hinkommen, abhängen, zusammen sein, dann gibt’s auch eine kleine Andacht, aber das wesentliche ist die Zeit miteinander. Jetzt gibt es schon 15 Teamerinnen und Teamer – kein Vergleich zu früher.
Für die Ausbildung von Pastoren heißt das, dass mehr Fokus auf die Arbeit mit Jugendlichen gelegt wird, damit sie nach der Konfirmation nicht verloren gehen und sich von der Kirche abwenden.“