Was für ein Vertrauen
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Andacht zum Sonntag Septuagesimä
Was für ein Vertrauen [ ]
Die Kirchentagslosung 2019 ist Staunen und Infragestellung zugleich.
Was für ein Vertrauen – das ist ja unglaublich!
Was für ein Vertrauen – das Satzzeichen hinter dem Vertrauen hat der Kirchentag bewusst offen gelassen.
Was für ein Vertrauen – welches Satzzeichen packen wir dahinter? Mit welchem Satzzeichen kann oder werde ich diesen Satz sprechen? Mit Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen oder mit einem Fragezeichen oder einem Ausrufezeichen oder gar mit einem Haken als abgehakt?
Was für ein Vertrauen – in die Menschen, die mit diesem Satz umgehen – in die Menschen, die dieser Welt mit Vertrauen begegnen – in die Menschen, die ihr Vertrauen auf Gott und das Leben setzen.
Zum Vertrauen auffordern, ermutigen und ermuntern – das ist das, was der Kirchentag mit dieser Losung will.
Doch in dem biblischen Kontext der Losung führt jemand diese Vertrauenslosung im Munde, der alles andere als vertrauenswürdig ist. Vertrauen ist hier stark angefragt, ja, in Frage gestellt!
In den Mauern Jerusalems sehen wir einen verzweifelten König, Hiskia, und einen Propheten, Jesaja, der verzweifelt darum ringt und wirbt, alle Macht und alle Ohnmacht auf den einen Gott zu setzen, der auch das in seiner Hand hält, was diese Übermacht da draußen auf bietet.
Drinnen: Zittern, Zagen, Bangen. Und draußen: Großmacht, Großkotz, Spott und Hohn.
Und dann ergreift Rabschake, der oberste Heerführer des assyrischen Königs, das Wort. Und seine Rede stampft das Selbstbewusstsein der Jerusalemer in Grund und Boden. Wenn Worte töten könnten – hier werden sie gesprochen. Mitten im Krieg: Das ist der Kontext unserer Vertrauenslosung.
Am Ende seiner vernichtenden Rede steht Sprachlosigkeit – doch anders, als man sich das denkt.
Was für eine Geschichte – mit dem Vertrauen! Staunend stehe ich vor dieser Szene aus der unsere Kirchentagslosung stammt. Ich merke, wie viel diese biblische Szene mit meiner Gegenwart, mit meinem Vertrauensschwund und meiner Ohnmacht zu tun hat. Und wie ich neue Kräfte spüre, weil mein Vertrauen so stark angefragt wird: Hier steht der eine Gott auf dem Spiel, der die ganze Welt in seinen Händen hält. Das Vertrauen auf diesen Gott hat nichts in der Hand, was es vorweisen oder zeigen könnte. Dieser Glaube an den einen Gott scheint ohnmächtig zu sein gegenüber der Übermacht der Rabschakes dieser Welt, die uns mit ihren Alternativlosigkeiten erdrücken wollen und sprachlos machen. Jeder und jedem von uns wird hier mindestens einen Großkotz unserer Gegenwart vor Augen stehen, mit dem die Welt sich gerade herumschlagen muss und dessen Schaumschlägerei uns unser Vertrauen, unsere Lebenskraft, wegzusaugen droht.
Die Einwohner Jerusalems damals halten an ihrem Gott fest – gegen allen Augenschein, dennoch, trotzdem.
Wie ging die Geschichte damals weiter? Ziemlich verrückt. Warum, weshalb, wieso – wir wissen es nicht – aber Tatsache ist: Die Assyrer zogen plötzlich völlig hektisch wieder ab. Die Archäologen bestätigen dies heute anhand von Aus-grabungen, die keine Zerstörung Jerusalems belegen. Die Historiker wissen um diesen Rückzug auch aus assyrischen Quellen. Aber niemand weiß genau, warum.
Vielleicht ist es gut, dass wir das nicht wissen. Das zarte Pflänzchen Vertrauen, das noch da war, als es allen die Sprache verschlagen hatte – das setzt sich durch – und wir wissen nicht, wieso, weshalb, warum. Ein Wunder? Ja! Sind solche Wunder wiederholbar? Ja! Wissen wir, wie solche Wunder funktionieren und wiederholt werden können? Nein! Damals hat dieses Vertrauen in den einen Gott in aussichtsloser Situation dafür gesorgt, dass sich der Glaube an den einen Gott ausbreiten konnte und durchsetzte – bis zu uns heute! Es ist ein Glaube, der aus der Ohnmacht geboren ist, nicht aus der Allmacht! Dieser Glaube ist alles andere als großkotzig. Stattdessen basiert er auf der Erfahrung, dass auch in völlig aussichtsloser Situation Gottes Macht und Liebe uns trägt.
Was für ein Vertrauen, das da angefragt ist und langsam wieder in mir wächst. Dieses Vertrauen kann ich nicht alleine für mich hegen und pflegen. Diese zarte und scheue Pflanze Vertrauen, die Gott mir immer wieder schenkt, braucht die Gemeinschaft der anderen Pflanzen, braucht die grüne Wiese, den bunten Garten. Diese Pflanze Vertrauen braucht das Feiern, braucht Bildung, braucht Austausch und geistige Nahrung.
Egal wie stark, wie brüchig oder wie verloren dein Vertrauen in Gott und die Welt ist, die Einladung des Kirchentags ergeht an alle: Macht euch auf und nehmt Anteil an der lauteren Vertrauensbildung! Kommt mit nach Dortmund und kommt dort – mit Mund und Herz – ins Staunen.
Amen.
Harald Schroeter-Wittke