Das Bild zeigt den Siegelstempel der Landeskirche Hannovers mit braunem Holzgriff.

Geschichte der Landeskirche

Die Evanglisch-lutherische Landeskirche Hannovers ist eine noch recht junge Institution. Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs sie zusammen aus den regionalen Kirchen verschiedener niedersächsischer, vor allem welfischer Herrschaften. Doch ihre Sprengel und Kirchengemeinden können auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken, die bereits im frühen Mittelalter begann.


Der Beginn

Das Christentum erreicht den Norden

Seit dem 8. Jahrhundert wurden die Friesen und Sachsen im Gebiet des heuten Niedersachsens von England missioniert. Zu den Missionaren gehörten Bonifatius, Willibrod und Willehad.

Nach dem Sieg Kaiser Karls des Großen über die Sachsen um 800, begann der Aufbau einer festen Kirchenorganisation. Im niedersächsischen Raum wurden dazu unter anderem die Bistümer Hildesheim, Osnabrück, Paderborn, Münster, Minden, Bremen und Verden gegründet. Zahlreiche Klöster der Benediktiner und Zisterzienser machten das Land urbar. Später festigten Augustiner- und Prämonstratenserstifte den christlichen Glauben. Mächtige Reichsstifte wie Corvey und Gandersheim sicherten die Königsmacht.

Die meisten Klöster wurden nach der Reformation aufgelöst, doch einige Frauenklöster, vor allem im Raum Lüneburg und Calenberg, bestehen bis heute als evangelische Damenstifte. Auch die Zisterzienserklöster Amelungsborn und Loccum und das ehemalige Benediktinerkloster Bursfelde blieben als evangelische Männerkonvente erhalten und sind bis heute wichtige geistliche Zentren für die evanglische Kirche in Norddeutschland.


Die Reformation

Evangelisches Leben zwischen Harz und Nordsee

Die Reformation brachte tief greifende religiöse und kirchliche Veränderungen in den niedersächsischen Raum. Luthers Lehre von der bedingungslosen Liebe und Gnade Gottes sprach viele Menschen an.

Da das Land in viele Fürstentümer, Bistümer und Einzelherrschaften zersplittert war, setzte sich die neue Konfession in Niedersachen nur schrittweise und auch nicht vollständig durch:

In Ostfriesland verbreitete sich die Lehre unter Einfluss der benachbarten Niederlande bereits um 1519/20. Auch das Fürstentum Lüneburg wurde 1527 bereits recht früh evangelisch.

Die übrigen welfischen Fürsten hielten länger am alten Glauben fest. In vielen größeren Städten wurden evangelische Prediger von den Stadträten daher zunächst ohne Zustimmung des Landesherren berufen (z. B. Braunschweig 1528, Einbeck 1529, Göttingen 1530, Hannover 1533). Auch auf dem Land wählten adlige Patronatsherren zunehmend lutherische Geistliche für ihre Pfarrkirchen. Besonders spät begann der evangelische Einfluss in den geistlichen Herrschaften wie Hildesheim (1542), Osnabrück (1543) und Verden (1555).

Nach und nach öffneten sich auch die übrigen Landesherren der neuen Lehre und führten die Reformation in ihren Gebieten landesweit durch:

  • 1527 Fürstentum Lüneburg
  • 1540 Fürstentum Calenberg-Göttingen
  • 1543 Ostfriesland, Emsland, Bistum Osnabrück
  • 1558 Grafschaft Schaumburg
  • 1568 Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel

Die Reformation verändert vieles

 Kirchenordnungen regelten das Leben

Um die Reformation zur sichern, wurden in fast allen evangelischen Territorien Kirchenordnungen erlassen. Diese Ordnungen bauten auf dem Augsburger Bekenntnis von 1530 auf. Sie enthielten im ersten Teil Aussagen zum Bekenntnisstand und zur neuen Lehre; ferner wurden Gottesdienstordnungen und Bestimmungen zum Schulrecht (die Verantwortung für den Schulunterricht und die Schulaufsicht lag bei den Pastoren) sowie Bestimmungen über die Kirchenzucht aufgenommen. Lehre und Verkündigung, Gottesdienst und Gemeindeordnung – heute auf Agende, Kirchengesetz und Kirchenverfassung aufgeteilt – bildeten in den reformatorischen Kirchenordnungen ein Ganzes.
Für die hannoversche Landeskirche sind vor allem zwei Kirchenordnungen wichtig geworden: die Lüneburger Kirchenordnung und die zuerst 1569 für das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg erlassene „Calenberger Kirchenordung“. Sie sind noch immer prinzipiell die Grundlage für die heute in der Landeskirche existierenden kirchenleitenden Organe.

Die Lüneburger Kirchenordnung teilte das Land in Superintendenturbezirke auf und sah einen Generalsuperintendenten, er trug den Namen "Generalissimus", vor. Dieser hatte die Aufgabe, Pastoren zu ordinieren und zu visitieren, er war wichtigstes (theologisches) Mitglied im Konsistorium. Die geistlichen und weltlichen Räte dieser Behörde traten viermal im Jahr zusammen. So bereitete die Lüneburger Kirchenodnung mit dem Amt des Generalsuperintendenten das Amt des Landesbischofs vor.

Die Calenberger Kirchenordnung kannte mehrere nebenamtlich tätige Generalsuperintendenten. Dagegen war das Konsistorium eine fest eingerichtete Behörde mit hauptamtlichen Mitarbeitern. Aus dem so gefaßten Amt des Generalsuperintendenten entwickelte sich das heutige Amt des Landessuperintendenten, und das ständige Konsistorium ist in etwa der Vorläufer des heutigen Landeskirchenamtes.


Spaltung und Gegenreformation

Evangelische Kirchenspaltung und Gegenreformation

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begannen erbitterte Auseinandersetzungen über den Umfang der Reform und das richtige Verständnis der evangelischen Lehre. Aus den Lehrunterschieden entwickelten sich die lutherische und die reformierte Kirche; in Teilen Ostfrieslands, in der Grafschaft Bentheim und der Herrschaft Plesse (Bovenden) wurde die reformierte Konfession vorherrschend. Daraus entstand im 19. Jahrhundert die Evangelisch-Reformierte Kirche, deren Verwaltungssitz heute in Leer ist.

In kleineren Gebieten um Hildesheim, Osnabrück und im Eichsfeld konnte sich die evangelische Lehre langfristig nicht behaupten. Die dortigen katholischen Bischöfe regierten auch als Landesherren und bekämpften die Reformation erfolgreich. Bis ins 20. Jahrhundert blieb die Bevölkerung überwiegend katholisch, erst nach dem 2. Weltkrieg setzte eine Durchmischung ein.


Erweckt und industrialisiert

Das kirchliche Leben in Niedersachsen ab dem 17. Jahrhundert

Nach den Wirren der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges galten im niedersächsischen Protestantismus des 17. Jahrhunderts praktizierte Frömmigkeit, Toleranz und Friedensgesinnung als die zentralen christlichen Tugenden. Sie wurden in der Erbauungsliteratur besonders gepflegt, zu deren Hauptvertretern der Celler Generalsuperintendent Johann Arndt (1555-1621) gehörte. Auch die Kirchenmusik blühte auf, viele heute noch bekannte Kirchenlieder entstanden in dieser Zeit, z. B. „Macht hoch die Tür“, „Dir, dir, o Höchster, will ich singen“ und viele andere.

Im 18. Jahrhundert versuchten viele evangelische Pastoren, die christliche Lehre mit den Prinzipien der Aufklärung zu verbinden. Sie warben für ein vernünftiges, praktisch ausgerichtetes Christentum. Rationalismus und Vernunftsdenken wandten sich gegen den „Aberglauben“ und stärkten die Toleranz unter den Religionen und Konfessionen, ließen aber auch die emotionale und soziale Seite des kirchlichen Lebens verblassen. Traditionelle Gottesdienstformen und Spiritualität gingen verloren, das Gemeindeleben verlor seine Bedeutung.


Der Weg zur Landeskirche

Nach dem Wiener Kongress 1815 existierten im heutigen Niedersachsen nur noch vier selbständige Fürstentümer: das Herzogtum Braunschweig, das Großherzogtum Oldenburg, das Fürstentum Schaumburg-Lippe und das Königreich Hannover. Jedes Fürstentum hatte eine eigene Kirchenverwaltung, die dem jeweiligen Landesherrn als regionalem Kirchenoberhaupt unterstand. Aus ihnen entwickelten sich die heutigen vier niedersächsischen Landeskirchen.

Zum Königreich Hannover gehörten die welfischen Fürstentümer Calenberg-Grubenhagen, Lüneburg und Bremen-Verden mit dem Land Hadeln, Ostfriesland, die ehemaligen Hochstifte Hildesheim und Osnabrück, das Emsland und einige kleinere Herrschaftsgebiete. Von kleinen Veränderungen abgesehen, umfasst die hannoversche Landeskirche noch heute dieses Gebiet.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte im Königreich Hannover unter dem Einfluss von Liberalismus und Bürgerlicher Revolution eine schrittweise Demokratisierung der Kirche ein. Es begann 1848 mit der Einführung von Kirchenvorständen, die einen Teil der Kirchengemeindeverwaltung übernahmen. Vorher war der Pastor alleiniges Oberhaupt seiner Gemeinde in allen geistlichen und finanziellen Fragen gewesen. „Revolutionär“ an den Kirchenvorständen war, dass sie von den Gemeindegliedern demokratisch gewählt wurden und die Finanzen der Gemeinde überwachten.

1864 erhielt die hannoversche Landeskirche eine eigene, parlamentarische Verfassung. Das Kirchenparlament, heute „Landessynode“, damals „Landeskirchentag“ genannt, trat jedoch erstmals 1869 zusammen.

1866 wurde das Königreich Hannover von Preußen erobert. Preußen beseitigte die meisten Einrichtungen des Königreichs und machten es zu einer preußischen Provinz.

Im Gegensatz zu anderen eroberten Gebieten wurde die hannoversche Kirche jedoch nicht der preußischen Kirchenunion zugeschlagen, sondern blieb eigenständig. Man richtete in Hannover zu den bestehenden Konsistorien ein übergeordnetes Landeskonsistorium ein, das vom staatlichen Kultusministerium die Leitungsfunktion in den zentralen kirchlichen Angelegenheiten übernahm. So entstand erstmals eine einheitliche Verwaltung für die gesamte hannoversche Landeskirche in ihren heutigen Grenzen.

Das Bild zeigt eine historische Aufnahme von zehn männlich lesbaren Personen, die sich in zwei Reihen hinter einem Tisch postiert haben für das Foto; sie tragen dunkle Anzüge.
Bild: Landeskirchliches Archiv
Kirchenvorstand der Lambertikirche Aurich 1899
Das Bild zeigt die Unterschrift von König Ernst August auf einem weißen Blatt Papier.
Bild: Nieders. Hauptstaatsarchiv Hannover
Unterschrift von König Ernst August zum Gesetz über die Kirchenvorstände, 1848

Zeit der Umbrüche

Beginn des 20. Jahrhunderts

Das 20. Jahrhundert war auch für die Kirchen eine Zeit der Umbrüche:

1918 beendete die Abdankung des Kaisers die Monarchie in Deutschland. Die Weimarer Reichsverfassung proklamierte die Trennung von Kirche und Staat. Damit brach auch das von Luther verfügte landesherrliche Kirchenregiment zusammen und die evangelischen Landeskirchen mussten sich neue Verfassungen und Kirchenleitungen geben.

1924 trat die neue Kirchenverfassung der hannoverschen Landeskirche in Kraft. Geistliches Oberhaupt der Landeskirche ist seither der Landesbischof.

Ihm zur Seite steht die Landessynode, damals „Landeskirchentag“ genannt, als von den Kirchenmitgliedern gewähltes, parlamentarisches Gremium. Es entscheidet über Finanzfragen und Kirchengesetze.

Erster Landesbischof wurde 1925 August Marahrens (1875-1950).

Das Bild zeigt eine alte Schwarzweiß-Aufnahme mit einer Gruppe von männlich und weiblich lesbaren Personen, die sich zu einem Gruppenbild im Park aufgestellt haben.
Bild: Landeskirchliches Archiv
Die Pastoren und Pfarrfrauen des Kirchenkreises Göttingen Nord, um 1925
Das Bild zeigt eine Schwarzweiß-Aufnahme mit einer männlich lesbaren Person, die im Talar die Treppenstufen vor einer Kirche heruntergeht. Neben der Treppe wartet auf dem Vorplatz eine große Gruppe von winterlich angezogenen Menschen.
Bild: Landeskirchliches Archiv
Amtseinführung des ersten Landesbischofs Hannovers: August Marahrens, 28. Juni 1925

Kirchenkampf und Krieg

Eine sogenannte „intakte“ Landeskirche

Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gewannen bei kirchlichen Neuwahlen die Deutschen Christen (DC) in der Kirchenleitung, im Landeskirchentag und in vielen Kirchenvorständen. Die meisten Pastoren und geistlichen Würdenträger der Landeskirche, allen voran Landesbischof Marahrens, wehrten sich gegen die von den DC geplante „Gleichschaltung“ der Landeskirchen in einer staatlich kontrollierten Reichskirche. Als der Versuch, Landesbischof Marahrens abzusetzen, scheiterte, verloren die DC ab 1934 ihre Machtposition in der Landeskirche.

Allerdings gelang es den Nationalsozialisten, kirchliche Neuwahlen zu unterbinden. So gab es von 1934 bis 1945 keinen Landeskirchentag (Synode) und in vielen Gemeinden keine funktionierenden Kirchenvorstände. Verwaltet wurde die Landeskirche durch eine vom staatlichen Kirchenministerium und dem Landesbischof gemeinsam bestellte Kirchenregierung. Unter dieser gemäßigten staatlichen Aufsicht blieb die hannoversche Landeskirche, im Gegensatz zu anderen Landeskirchen, während der restlichen Zeit der NS-Diktatur in geistlichen Fragen relativ unabhängig.

Entscheidend für den hannoverschen Sonderweg war die Persönlichkeit von Landesbischof August Marahrens. Gemäß lutherischer Zwei-Reiche-Lehre unterschied Marahrens streng zwischen kirchlichem und staatlichen Machtbereich: Als Geistlicher war er überzeugter Anhänger, Gründungsmitglied und Vorsitzender der 1. vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche und duldete keine staatliche Einmischung in religiöse und kirchliche Belange. Als Staatsbürger dagegen war er der Regierung und Hitler als Staatsoberhaupt treu und loyal ergeben und erlaubte kirchlicherseits keine offene Kritik an der staatlichen Politik. Stattdessen versuchte er immer wieder zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen bzw. dem NS-Regime zu vermitteln. Das gab ihm und seiner Landeskirche einen gewissen Schutz vor staatlicher Einmischung, andererseits wurden beide oft zu schweigenden Zuschauern des NS-Unrechts. Seine Haltung wurde Landesbischof Marahrens später oft vorgeworfen und macht ihn bis heute zu einer der umstrittensten Persönlichkeiten der hannoverschen Kirchengeschichte.

Der Zweite Weltkrieg war für die Landeskirche verheerend: viele Pastoren und Vikare mussten an die Front und starben dort. Zahlreiche Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäuser wurden durch Kämpfe und Bomben beschädigt und unbenutzbar. Im Jahre 1943 wurden Landeskirchenamt und Bischofskanzlei bei einem Bombenangriff auf Hannover vollständig zerstört.

Doch das geistliche Leben in den Gemeinden ging weiter: Pfarrfrauen übernahmen Gottesdienste und Seelsorge. Oft dienten auch private Wohnungen als Notkirchen: das Bedürfnis der Menschen nach Gebet und Seelsorge war groß.


Neue Aufgaben

Der Wiederaufbau beginnt

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs musste die demokratische Verfassung der Landeskirche neu aufgebaut werden. Die 1945 vom Landesbischof einberufene vorläufige Landessynode und ein vorläufiger Kirchensenat erließen die notwendigen Gesetze. Die erste ordentliche Landessynode trat 1947 zusammen.

Eine besondere Aufgabe für die Kirche in der Nachkriegszeit war die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Viele vertriebene Pastoren aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten baten in den westlichen Landeskirchen um Anstellung und Unterstützung. Sie stammten oft aus einer anderen evangelischen Tradition, das brachte Probleme, aber auch Bereicherung in die Gemeinden. Parallel dazu kamen Tausende von Flüchtlingen, die in die Kirchengemeinden integriert werden mussten. Wo sie in bislang bevölkerungsarmen oder vornehmlich katholischen oder reformierten Gebieten angesiedelt wurden, entstanden zahlreiche neue lutherische Gemeinden.

Eine weitere kirchliche Herausforderung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Deutsche Teilung. Zur Unterstützung der unterdrückten Kirchen in der DDR wurde die Ost-West-Hilfe der Kirchen eingeführt. Die hannoversche Landeskirche übernahm dabei die Patenschaft für die Landeskirche in Sachsen. Auf der Basis dieser kirchlichen Zusammenarbeit konnten sich die Menschen aus beiden Teilen Deutschlands über die politischen Mauern hinweg persönlich begegnen. Als die DDR 1989/90 ihr Ende fand, waren die gewachsenen Freund- und Patenschaften eine wichtige Hilfe beim Neuaufbau der Kirchen in den neuen Bundesländern.

Ein gesellschaftspolitisches Thema für die Landeskirche im 20. Jahrhundert war die Frauenordination: Nach den Kriegen 1918 und 1945 herrschte akuter Pastorenmangel in der Landeskirche. Viele Geistliche waren gefallen oder in Kriegsgefangenschaft. Aus der Notwendigkeit heraus wurden theologisch ausgebildete Frauen in den 1920er Jahren als „Pfarramtshelferinnen“ berufen, ab 1948 als „Vikarinnen“ ordiniert. Ihr Wirkungskreis war jedoch auf die Arbeit mit Frauen und Kindern beschränkt. Erst 1968 erhielten die Pastorinnen die geistliche wie rechtliche Gleichstellung zu ihren männlichen Kollegen. Das Jahrhundert endete mit der Wahl der ersten hannoverschen Landesbischöfin: Margot Käßmann


Leitende Geistliche der Landeskirche Hannovers

Landesbischof August Marahrens (1925-1947)

Erster Amtsträger war August Marahrens (1875-1950). 1925 gewählt, suchte die Kirche unter seiner Leitung ihre neue Rolle als moralische Instanz und Hilfe der Menschen gegenüber den politischen Unruhen der Weimarer Republik. Seine Amtsführung in der nationalsozialistischen Zeit war dagegen sehr umstritten; ihm wurde eine zu starke Anpassung und Zurückhaltung in Umgang mit dem NS-Staat vorgeworfen. Daher trat er 1947, nachdem er mit der Einberufung der ersten Landessynode den Wiederaufbau der Kirche nach dem Krieg eingeleitet hatte, von seinem Amt zurück.

Lebenslauf

  • geboren 11. Oktober 1875 in Hannover
  • vor 1903 Alumnatsinspektor in Goslar
  • 1903-1904 Hilfspfarrer an der Schloßkirche Hannover und der Gefängnisgemeinde
  • 1904-1909 2. Pastor an der Schloßkirche Hannover Konsistorialassessor im Landeskonsistorium Hannover
  • 1909-1920 Studiendirektor des Predigerseminars Erichsburg
  • 1920-1922 Superintendent in Einbeck
  • 1922-1925 Generalsuperintendent von Stade
  • 1925-1947 Landesbischof

Außerdem:

  • 1934-1936 Vorsitzender der Bekennenden Kirche (BK) in der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK)
  • ab 1939 Mitglied des geistlichen Vertrauensrates der DEK
  • ab 1933 Mitglied, ab 1935 Vorsitzender des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltkonvents
  • ab 1934 Vorsitzender der Kirchenführerkonferenz der DEK
  • gestorben 3. Mai 1950
Landesbischof Hanns Lilje (1947-1971)

Sein Nachfolger wurde Hanns Lilje (1899-1977). In Hannover geboren, war Lilje bereits in jungen Jahren in der Christlichen Studentenbewegung international sehr aktiv. Er war ein überzeugtes Mitglied der Bekennenden Kirche, Mitglied im „Lutherrat“ und von 1935 bis 1945 Generalsekretär des Lutherischen Weltkonvents. Aufgrund seiner Kontakte zur Widerstandsbewegung wurde er nach dem 20. Juli 1944 inhaftiert und kam erst mit dem Kriegsende 1945 wieder frei. Als Landesbischof war Lilje maßgeblich an der Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beteiligt und engagierte sich als Präsident im Lutherischen Weltbund und im Ökumenischen Rat der Kirchen.

Lebenslauf

  • geboren 20. August 1899 Hannover
  • 1917 Abitur an der Leibnizschule Hannover
  • Einberufung zum Kriegsdienst
  • Theologie- und Kunstgeschichtsstudium in Göttingen und Leipzig
  • 1924 Ordination
  • 1924 Pfarrer in der Jugendfürsorge der Inneren Mission in Hannover
  • 1925-1927 Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule Hannover
  • 1927-1935 Generalsekretär der „Deutschen Christlichen Studentenvereinigung“
  • 1932-1935 Vizepräsident der „World Student Federation“
  • 1932 Promotion
  • 1933 Gründungsmitglied der „Jungreformatorischen Bewegung“
  • 1933-1936 Herausgeber der „Jungen Kirche“, des zentralen Publikationsorgans der Bekennenden Kirche
  • 1936 Mitglied im Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands („Lutherrat“)
  • 1935-1945 Generalsekretär des Lutherischen Weltkonvents
  • 1944-1945 Inhaftierung durch die Gestapo wegen seelsorgerischer Kontakte zu Beteiligten des Attentats vom 20. Juli 1944
  • 1945-1947 Oberlandeskirchenrat
  • 1947-1971 Landesbischof

Außerdem:

  • 1950-1971 Abt des Klosters Loccum (Johannes XI.)
  • ab 1945 Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
  • 1949-1967 Stellvertretender Ratsvorsitzender der EKD
  • 1955-1969 Leitender Bischofs der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Velkd)
  • 1945-1957 Präsident des Zentralausschusses der Inneren Mission
  • 1948 Gründer des „(Deutschen Allgemeinen) Sonntagsblattes“
  • 1947-1970 Mitglied des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltbundes, 1952-1957 Präsident
  • ab 1948 Mitglied im Zentralkomitee, ab 1961 im Exekutivkomitee des Weltrats der Kirchen
  • 1968-1975 Präsident des Ökumenischen Rats der Kirchen
  • gestorben am 6. Januar 1977 Hannover

Über das Leben von Hanns Lilje schreibt Hartmut Badenhop

Sein Name ist in Hannover festgehalten: Ein öffentlicher Platz im Herzen der Stadt, ein Haus für kirchliche Aktivitäten und die landeskirchliche Stiftung zur Förderung des Dialogs zwischen Theologie und Wissenschaft, Glaube und Gesellschaft, Kirche und Kunst sind nach ihm benannt.

Aber auch über seine Heimatstadt und die Landeskirche hinaus, deren erster Nachkriegsbischof er war, ist Hanns Lilje in lebendiger Erinnerung. Aufgewachsen in Hannover – sein Vater war Diakon an der Apostelkirche und er ein Schüler des Leibniz-Gymnasiums – war er nach kurzer Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg und Theologiestudium von 1925 bis 1927 der erste Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule. Durch seine Tätigkeit im Christlichen Studentenweltbund übersiedelte er, inzwischen verheiratet, nach Berlin, wurde er in der ökumenischen Bewegung aktiv und bekannt. Noch Bischof Lohse fand in den USA „als Nachfolger von Hanns Lilje“ offene Türen, und er selbst wurde von 1968 bis 1975 einer der Präsidenten des Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK).

Obwohl kein Widerstandskämpfer, brachten ihn seine engen Verbindungen nach dem 20. Juli 1944 in Gestapohaft, aus der ihn die Amerikaner 1945 befreiten. Eindrucksvoll sein Bericht über diese Zeit „Im finstem Tal“ . Im Rückblick auf die Nazizeit sagte er 1950 auf der Synode der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD): „Es wird nicht anders gehen, als daß Deutschland ein ernstes und aufrichtiges Wort der Buße in der Judenfrage spricht“.

In der kurzen Zeit nach 1945 als Oberkirchenrat wurde Lilje durch seine überfüllten „Offenen Abende“ in der jungen Generation bekannt. Nach dem Rücktritt von Bischof Marahrens und der Wahl Liljes zum Landesbischof am 17. April 1947 halfen die „Kirchlichen Wochen", eine Idee Liljes und seine Art von Visitation in den Städten und Regionen seiner Landeskirche, ihn bekannt zu machen. Seine zugleich biblisch-klare wie menschennahe Predigt, die Betriebsbesuche und seine volksmissionarischen Vorträge waren prägend, wobei er auch für „die Gebildeten unter ihren (der Kirche) Verächtern“ ein Gesprächspartner war - so im Goethejahr oder zu Bachfesten. Das „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“, seit 1948 von ihm herausgegeben, die Evangelische Akademie, seit 1952 in Loccum ,verschiedene biblisch- meditative Kommentare – es war nicht nur die Gunst der Stunde, sondern auch die Person, die da wirkte und in Erinnerung geblieben ist.

Heinz Zahrnt, damals Chefredakteur des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts (DAS), schrieb 1977: „Bedenke ich die Geschichte der evangelischen Kirche Deutschlands in der Nachkriegszeit, so fallen mir drei Namen ein: Otto Dibelius, Martin Niemöller und Hanns Lilje ... Otto Dibelius war vornehmlich ein Priester, Martin Niemöller ein Prophet, Hanns Lilje ein Weiser. Die Weisheitslehrer im Alten Testament waren gleichsam die ‚Intellektuellen' unter den Gläubigen. Sie suchten Aufklärung der Welt durch den Glauben und schmähten dabei die Vernunft nicht, ja hatten sogar eine Neigung zur Skepsis, vor deren Übermacht sie ihr Glaube bewahrte. Ein solcher Mann war Hanns Lilje.“

Landesbischof Eduard Lohse (1971-1988)

1971 übernahm der Göttinger Theologieprofessor Eduard Lohse (geb. 1924, gest. 2015) die Leitung der Landeskirche. Der feinsinnige Neutestamentler entwickelte ein anderes Profil als sein volksmissionarisch orientierter Vorgänger. Seine Amtszeit bis 1988 war geprägt von den Auswirkungen der Studentenbewegung, die auch in der Kirche überkommene Traditionen in Frage stellte und für neue Glaubens- und Gottesdienstformen warb. Als Vermittler über den Raum der Kirche hinaus geschätzt, war Lohse von 1979 bis 1985 Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland und Vorsitzender der Deutschen und der Internationalen Gesellschaft der Bibelgesellschaften.

Weit über seine Amtszeit als Landesbischof hinaus, war Lohse als Abt von Loccum in der Landeskirche präsent. Erst 2000 gab er auch dieses Amt an seinen Nachfolger Horst Hirschler weiter.

Lebenslauf

  • geboren 19. Februar 1924 in Hamburg
  • 1942-1945 Militärdienst als Schnellbootkommandant in der Kriegsmarine
  • 1945-1949 Theologiestudium in Bethel und Göttingen
  • 1949 Promotion an der Georg-August-Universität Göttingen
  • 1950-1953 Konviktsinspektor an der Kirchlichen Hochschule in Hamburg, Vikar und Hilfsprediger in Hamburg
  • 1953 Habilitation an der Universität Mainz
  • 1953-1956 Privatdozent für Neues Testament in Mainz
  • 1956-1964 Professor für Neues Testament in Kiel
  • 1964-1971 Professor für Neues Testament in Göttingen
  • 1969-1971 Prorektor und Rektor der Georg-August-Universität Göttingen
  • 1971-1988 Landesbischof

Außerdem:

  • seit 1969 Mitglied der „Akademie der Wissenschaften" in Göttingen
  • 1975-1978 Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD)
  • Präsident des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes
  • 1977 Wahl zum Vorsitzenden des Universitätsbundes
  • 1973-1985 Mitglied des Rates der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
  • 1979-1985 Vorsitzender des Rates der EKD
  • seit 1988 Präsident des Weltbundes der Bibelgesellschaften
  • gestorben am 23. Juni 2015
Landesbischof Horst Hirschler (1988-1999)

Horst Hirschler (geb. 1933, gest. 2023) wurde 1988 zum Landesbischof gewählt. Der gebürtige Stuttgarter hatte zunächst eine Elektrikerlehre absolviert, bevor er sich zum Theologiestudium entschloss. Das Ende der Ostblockstaaten, die deutsche Wiedervereinigung und ihre Folgen bestimmten Hirschlers Amtszeit als Landesbischof. Seine direkte und pragmatische Art war den Menschen eine wertvolle Hilfe bei der Neuorientierung von Politik und Gesellschaft des ausgehenden Jahrhunderts. Von 2000 bis 2020 Abt des Klosters Loccum, dessen Konvent er seit 1970 angehörte, war Hirschler bis zuletzt einer der prägenden Persönlichkeiten der Landeskirche.

Lebenslauf

  • geboren 4. September 1933 in Stuttgart
  • 1951-1954 Lehre als Starkstrom-/Betriebs-Elektriker bei Bosch Hildesheim, während des letzten Lehr- und ersten Gesellenjahres Besuch des Abendgymnasiums
  • 1955 Abitur
  • 1955-1959 Theologiestudium in Bethel, Tübingen, Heidelberg und Göttingen
  • 1960 Vikariat in Syke
  • 1960­-1962 Predigerseminar an St.Michael im Hildesheim
  • 1962-1965 Schülerpastor für die Landeskirche im Landesjugendpfarramt und Landeswart der Evangelischen Jungenschaft BK (Schülerbibelkreise) in Niedersachsen
  • 1965-1970 Gemeindepastor in Lüneburg an St. Johannis und im Dorf Deutsch Evern
  • 1970­-1977 Konventual-Studiendirektor des Predigerseminars des Klosters Loccum
  • 1977-1988 Landessuperintendent für den Sprengel Göttingen
  • 1988-1999 Landesbischof

Außerdem:

  • 1971­-1977 Mitglied der Landessynode
  • 1974­-1988 Mitglied der Synode der EKD
  • 1991-1997 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
  • 1991-1997 Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes (LWB)
  • 1993-1999 Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Deutschlands (VELKD)
  • ab 1970 Mitglied im Konvent des Klosters Loccum, 1994 Prior
  • 2000-2020 Abt des Klosters Loccum, dadurch Mitglied der Landessynode und Präsident der Calenberger Landschaft, dadurch Vorsitzender des Brandkassenausschusses, des Trägergremiums der Versicherungsgruppe Hannover (VGH)
  • 1992 Ehrendoktor der Kirchlichen Hochschule Leipzig, Ehrensenator der Universität Göttingen
Landesbischöfin Margot Käßmann (1999-2010)

Nachfolgerin als Landesbischof wurde 1999 Margot Käßmann (geb. 1958), zuvor Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Fulda. Unter ihrer Leitung gelang es der Kirche, sich in der technisierten, rasch wachsenden Medienwelt zu behaupten und neue Kommunikationswege zu den Menschen zu finden. Engagement und Medienpräsenz brachten Margot Käßmann bundesweite Bekanntheit und Anerkennung. 2009 wurde sie Ratsvorsitzende der EKD, bevor sie im Februar 2010 aus persönlichen Gründen von allen Ämtern zurücktrat.

Lebenslauf

  • geboren 3 Juni.1958 in Marburg/Lahn
  • 1977-1983 Studium in Tübingen, Edinburgh, Göttingen und Marburg
  • 1985 Ordination zur Pfarrerin in der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck
  • 1985-1990 Gemeindepfarrerin in Frielendorf
  • 1989 Promotion an der Ruhr-Universität Bochum
  • 1990-1992 Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck
  • 1992-1994 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Hofgeismar
  • 1994-1999 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Fulda
  • 4. September 1999 bis zum 24. Februar 2010 Landesbischöfin
  • 28. Oktober 2009 bis zum 24. Februar 2010 Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Außerdem

  • 1983-2002 Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen
  • 2003-2009 Mitglied im Zentralausschuss der Konferenz Europäischer Kirchen
  • 2003-2010 Mitglied im Rat der EKD

Margot Käßmann wird „Lutherbotschafterin“ für 2017

Nikolaus Schneider stellte am 8. Juli 2011 ehemalige Ratsvorsitzende als Landesbischöfin in Berlin vor

Margot Käßmann wird „Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017“. Dies teilten der Vorsitzende des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider, und der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke, gemeinsam mit Margot Käßmann am heutigen Freitag in Berlin mit. Käßmann soll das neugeschaffene Amt im Frühjahr 2012 antreten.

Nikolaus Schneider gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass die ehemalige Ratsvorsitzende wieder „offiziell“ ein EKD-Amt bekleiden werde. Er hoffe, dass Käßmann den „nationalen und internationalen Vorbereitungen“ auf das Jubiläum „weitere Kraft und weiteren Schwung“ verleihen möge, denn die Themenjahre der Lutherdekade seit 2008 seien keineswegs eine „museale Rückschau“, sondern vielmehr eine „Erinnerung für die Zukunft“ und eine „christliche Ansage in unserer Zeit und für unsere Zeit.

Der Ratsvorsitzende betonte, er sei dankbar, dass Staat und evangelische Kirche im Kuratorium 2017 zusammenwirkten, um das Reformationsjubiläum und die Lutherdekade als „gemeinsame Wurzel vielfältiger gesellschaftlicher und kultureller Entwicklungen auch gemeinsam zu entfalten und zu feiern.“ Für die evangelische Kirche erhofft sich Schneider von Margot Käßmann eine „lebendige Vermittlung“ des Ereignisses „in viele Richtungen und Milieus der Gesellschaft“. Käßmann solle tatkräftige Impulse geben und gute Vernetzungsarbeit leisten – „national wie international“, denn das Reformationsjubiläum im Jahre 2017 solle ökumenisch geprägt sein. Käßmann habe eine große Fähigkeit, die Sprache und den Geist Martin Luthers „fromm, fröhlich, frisch und frei“ in den Alltag zu übersetzen, so Schneider weiter und wünschte der Theologin, die noch bis Frühjahr 2012 eine Gastprofessur an der Ruhruniversität Bochum innehat, für die neue Tätigkeit bei der EKD „von Herzen“ Gottes Segen.

Margot Käßmann bedankte sich bei Nikolaus Schneider und Hans Ulrich Anke für die Initiative zur Schaffung des neuen Amtes und bei ihrer Hannoverschen Landeskirche, die ihr die Wahrnehmung desselben ermögliche. Hinter der Reformation Martin Luthers verberge sich nicht nur „eine imponierende, zuweilen auch herausfordernde Geschichte“, sondern auch „ein großes Potential für heute und für die Zukunft“. Davon, so Käßmann, sei sie zutiefst überzeugt und deshalb freue sie sich darauf, ab dem Frühjahr 2012 „als Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum unterwegs zu sein.“

Ihr sei trotz aller anderslautenden Spekulationen immer klar gewesen: „Ich bin eine Frau der Kirche, hier bin ich verwurzelt, seit fast 30 Jahren in unterschiedlichen Positionen tätig und freue mich darauf, das in neuer Funktion wieder zu sein.“ Sie wolle mit „Herzen, Mund und Händen“ dazu beitragen, dass das Reformationsjubiläum 2017 und die Lutherdekade „in unserer Gesellschaft, in unserer Kirche und weit über unsere Grenzen hinaus im ökumenischen und internationalen Kontext sichtbar werden“.

Ihr Glaube und ihre Theologie seien sehr von der „lutherischen Botschaft der Rechtfertigung allein aus Glauben“ geprägt worden. Käßmann: „Wir müssen unser Leben nicht rechtfertigen, es ist ,gerechtfertigt‘, wie Martin Luther sagte, weil Gott es uns geschenkt hat.“ Die Zuversicht, dass Gott „unser Leben in Zeit und Ewigkeit umspannt“, befreie vom „ständigen Ringen um Bedeutung, Erfolg, Reichtum“ und mache Mut, immer wieder zu fragen: „Wie steht es um die Gerechtigkeit - in unserem Land, auf der Welt? Wie werden die Kirchen dem biblischen Auftrag gerecht, die Einheit der Christenheit zu leben? Was bedeutet es, Frieden zu stiften?“ Martin Luther, so Käßmann abschließend, sei ein „Vorbild für uns heute, aus dem Glauben heraus, Standpunkte zu finden“.

Der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke, gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass Margot Käßmann „in absehbarer Zeit“ wieder für die EKD tätig werde. Er machte deutlich, dass die ehemalige Ratsvorsitzende als Botschafterin für das Reformationsjubiläum ein ganz neues Amt bekleiden werde. Sie werde nicht Nachfolgerin des bisherigen Beauftragten des Rates der EKD in Wittenberg, Stephan Dorgerloh, der im April Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalts geworden ist. Käßmanns Aufgabe sei es, in „vielen Bereichen und Milieus unserer Kirchen und unserer Gesellschaft“ für das Reformationsjubiläum und die Lutherdekade „werbend zu wirken“ und besonders die „internationale Perspektive“ in den Blick zu nehmen. Margot Käßmann, so Anke weiter, sei „in der weiten Welt der Ökumene“ gut bekannt und habe dort „eine hohe Reputation“. Außerdem solle Margot Käßmann mit dem wirken, was sie besonders gut könne und besonders gerne mache, nämlich durch „Vorträge und Gottesdienste, durch Diskussionen und andere Veranstaltungen der EKD zur Lutherdekade und zum Reformationsjubiläum“ und damit zu wirken„viele Herzen und Köpfe erreichen und begeistern.“ Zudem sei es wünschenswert, so Anke, dass Margot Käßmann dabei helfe, „Kreise von Unterstützerinnen und Unterstützern für das große Reformationsjubiläum 2017 zu gewinnen – Kulturschaffende und Sponsoren, Mäzene und Förderer aus dem weiten Feld der Zivilgesellschaft.“

Ralf Meister (seit 2011)

Seit dem 26. März 2011 ist der gebürtige Harburger Ralf Meister (geb. 1962) Landesbischof der hannoverschen Landeskirche. Er sieht seine Aufgabe vor allem in der Wortverkündigung und sucht auch über die Medienpräsenz hinaus gern den persönlichen Kontakt zu den Menschen in seiner Landeskirche und darüber hinaus.

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