Verjüngungskur für die Kirche der Grauhaarigen: Die EKD-Synode diskutiert über einen Generationswechsel
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Würzburg/Hannover. Nichts tut der evangelischen Kirche in diesen Tagen mehr weh, als auf die jungen Menschen unter 30 Jahren zu schauen. Denn das ist für sie ein Blick ins Nichts. Die Lebensspanne zwischen 18 und Mitte 20 ist eine religiöse Leerstelle. Zwischen Anfang und Mitte 20 treten Menschen am häufigsten aus der Kirche aus: Diesen Befund präsentierte der Autor der Shell-Jugendstudie, der Sozialwissenschaftler Ulrich Schneekloth, am Montag vor rund 120 Vertretern aus Kirche, Politik und Gesellschaft. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tagt noch bis Mittwoch zu der Frage, wie die Kirche mehr junge Menschen ansprechen und an Entscheidungen beteiligen kann.
Für junge Menschen ist der Glaube längst nicht mehr alltäglich. Etwas zu haben, an das man glaubt, ist nur zehn Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 19 und 27 Jahren wichtig. Das zeigt eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD in Hannover, die am Montag in Würzburg vorgestellt wurde. "Diese jungen Menschen führen ein eigenständiges, glückliches Leben - ohne uns als Kirche", sagte Institutsleiter Gerhard Wegner. Er sprach von einer "postchristlichen Generation". Junge Erwachsene brächen oft den Kontakt zur Kirche ab. "Die Kirche muss gerade für diese Altersgruppe neue Angebote machen."
Wie schwer das wird, zeigt seine Analyse ebenfalls. Denn für viele junge Erwachsene steht die Selbstverwirklichung an erster Stelle. Wegner sprach von einer "Ich-Fixierung". Dass die Kirche dennoch oft zu wenig tut, um U-30-Jährigen den Weg zurück in die Gemeinden zu ebnen, machte die Münsteraner Theologin Anna-Katharina Lienau in ihrem Impulsvortrag auf der Synode deutlich. Die Kirche müsse auch überlegen, wie sie Menschen erreichen könne, die nicht heiraten oder Kinder bekommen und dann durch die kirchliche Trauung oder Taufe wieder in Kontakt zu den Gemeinden treten. "Die Kirche hat mich sehr lange nicht wahrgenommen, bis zu dem Zeitpunkt, als ich eine Tochter bekam. Das kann ja eigentlich nicht sein", sagte die 38-Jährige und erhielt dafür großen Applaus aus dem Plenum.
Wie die Kirche diese Leerstelle füllen möchte, diskutierten die Synodalen am Montag. Der Vorbereitungsausschuss zum Schwerpunktthema "Glaube junger Menschen" stellte zehn Thesen vor. Darunter seien auch Vorschläge, die schon vor Jahrzehnten gemacht worden seien, bemerkten gleich mehrere Synodale in einer anschließenden Aussprache. Dennoch sei jetzt der Zeitpunkt, "wo es Klick machen muss", sagte die Vorsitzende des Vorbereitungsausschusses, Jacqueline Barraud-Volk.
Die Musik in den Gottesdiensten solle vielfältiger werden, so lautet eine These. Weniger Orgel, mehr Gitarre, heißt das im Klartext. Auch bei der Form der Gottesdienste soll mehr experimentiert werden, heißt es in einer anderen. Eine weitere These zielt auf Vernetzung und Präsenz im digitalen Raum. "Wir sehen es als Aufgabe der Kirche an, die Kommunikation des Evangeliums auch in digitaler Weise zu befördern." Jetzt müsse es daran gehen, die vielen Anregungen der Synodalen auszuwerten, sagte die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer. "Unsere Kirche muss sich wirklich ändern."
Wie sich die jungen Menschen ihre Kirche vorstellen, über die auf der Synode geredet wird, wurde bereits am Sonntagabend deutlich. Die Synode hatte sieben Frauen und Männer zwischen 18 und 26 Jahren zu einem Austausch eingeladen. Glaube sei Heimat, sagte eine junge Frau. Beim Glauben gehe es um die persönliche Beziehung zu Gott, sagte ein junger Mann. Der Würzburger Bastian Mogel aber sagte einen Satz, der das Dilemma der Kirche im Jahr 2018 offenbart: "Für junge Leute geht es mehr um Werte als um die Kirche dahinter."
epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen