„Musik ist der Schlüssel zum Herzen und zur Welt“
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Rapper SPAX will Jugendlichen eine Stimme geben
In dem Musikstudio in der Nordstadt von Hannover geht es zu wie im Taubenschlag. Vierzehn Jugendliche zwischen zehn und sechszehn Jahren gehen ein und aus und schauen Rapper Spax über die Schulter. Der Musiker legt eine neue Spur in seinem Schnittprogramm an und lässt die Musik noch mal abfahren. Arabische Klänge vermischen sich mit den Stimmen der Schüler: „Meine Familie, meine Freunde, wir haben alle die gleichen Träume“, rappen sie. Spax nickt, das klingt gut. „Okay, jetzt bist Du dran“, ruft er Ehsan (16) zu und zeigt zur Aufnahmekabine gegenüber, in der sein Freund Lorenz Seherr wartet – Coach fürs Sprechen und Helfer für organisatorische Fragen. „Ok, hör Dir erst die Musik noch mal an, und dann starten wir“, ermutigt er den jungen Syrer. Ehsan nickt, dann legt er los: „Auf der Reise, wie..“ Er bricht ab, stöhnt: „Oh Mann.“ Lorenz bleibt ruhig: „Lass Dir Zeit“, sagt er und gibt noch mal den Einsatz vor: „Auf der Reise, wie ein Vogel der frei fliegt.“ Geschafft. Alles im Kasten. Wehmut mischt sich in Ehsans Aufnahme. Kein Wunder, denn was er hier ins Mikrofon rappt, ist seine Geschichte, Erinnerungen an seine Flucht werden wach. Von Afghanistan aus machte er sich auf den Weg in den Iran, nach Griechenland, Schweden und schließlich nach Deutschland. Die Familie ließ er zurück. Ob und wann Ehsan sie wiedersieht, ist ungewiss.
Ganz ähnlich wie ihm geht es auch den anderen Schülern, die heute bei Spax ihre Aufnahmen machen. Viele von ihnen kommen aus Syrien, Afghanistan, flohen vor dem Krieg, den Bomben, dem IS, der Zerstörung. Deutschland wurde für sie zur neuen Heimat. In der Sprachlernklasse wollen sie fit werden für die neue Sprache. Lehrerin Janna Sebode sprach Spax als Unterstützung an, denn „mit Rappen wird vieles einfacher“, sagt sie. Mit dem Musiker fand sie einen guten Partner: Seit den 1990er Jahren macht sich der Rapper in der sozialkritischen Conscious-Rap-Szene einen Namen und arbeitete mit Künstlern wie MC Rene und DJ Mirko Machine. Spax leitete Workshops für das Gothe-Institut in Portugal, Neuseeland und Westafrika, arbeitet mit Jugendlichen an der HipHop-Academy und veranstaltet an Schulen Gegen-Gewalt Workshops zusammen mit dem Jungen Schauspiel in Hannover. Hip-Hop ist für ihn dabei der beste Transmitter, denn „die Musik ist der Schlüssel zum Herzen und zur Welt“, sagt er.
Für das Projekt der Albert-Einstein-Schule tüftelte er mit den Schülern drei Tage lang an dem Song „Hand in Hand“ und vermischte Fanfarenchöre mit traditionellen, arabischen Instrumenten. „Wir möchten alle Kulturen zusammenbringen“, erklärt Spax. Ihre Fluchterfahrungen wollten die Jugendlichen dabei nicht verarbeiten, sondern das, was sie heute umtreibt. Glück, Heimweh, Freundschaften. Ob die Aussprache stimmt, ist dabei zweitrangig für Spax, denn Deutschunterricht ist das Projekt für ihn nicht: „In der Hip-Hop-Kultur arbeiten Menschen aus aller Welt zusammen. Jeder spricht eine andere Sprache, doch die Musik hält uns zusammen. Da nimmt es auch keiner dem anderen krumm, wenn man darüber lacht, wie jemand spricht und Fehler macht.“ Sprache ist für ihn daher auch nicht der wichtigste Schlüssel zur Migration: „In New York spricht die Hälfte der Bewohner kein Amerikanisch, und sie verstehen sich trotzdem. Es werden bei der Migration oft Probleme kreiert, die keine sind. Wichtig ist doch nur, dass man normal aufeinander zugeht.“ Stattdessen würde aber lieber Druck ausgeübt. Du musst so leben. Du musst die Sprache können. So funktioniere das nicht. Spax ist überzeugt: „Die Jugendlichen merken selbst, wann es wichtig wird, Deutsch zu können, um ihren Gefühlen Worte zu geben. Aber das muss von ihnen kommen.“
So wie bei Ahmad (15). Seit sieben Monaten lebt der junge Syrer mit seiner Familie in Deutschland. Er büffelt Deutsch, weil er ein klares Ziel hat: „Ich möchte Arzt werden und nach Syrien zurückkehren“, erklärt der Fünfzehnjährige. „Aber nicht, um dort zu leben. Ich möchte ein Hospital aufbauen und Menschen helfen, die sich die teuren syrischen Ärzte einfach nicht mehr leisten können.“ Und was ist mit dem Heimweh? Ja natürlich, manchmal hat er es. Aber er fühlt sich angekommen in Deutschland. So wie die anderen Jugendlichen, die jetzt gemeinsam in ihren Song einstimmen: „Hier in Deutschland kann man Träume haben. Frei leben. Alles sagen. Deutschland ist ein interessantes Land. Multikulturell. Wir leben Hand in Hand.“
Lilian Gutowski